Dies blieb nicht unwidersprochen. Die „NZZ“ etwa forderte, die Landeskirchen hätten sich darauf zu beschränken, als „ethische Wegweiser für die Gesellschaft“ zu fungieren. Politisches Engagement in einer Sachfrage wie der nach Transparenz und Verantwortung der Konzerne für ihre Lieferketten führe zu weit. In einem Gastkommentar schrieb ein Professor für Staatsrecht sogar, dass es im Interesse der Rechtsklarheit wünschbar wäre, wenn „einzelne Stimmberechtigte“ beim Bundesgericht eine Klage gegen das kirchliche Engagement in dieser Sache einreichen würden.
Die Schweizer Bischofskonferenz und die Evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz erinnerten dagegen in einer gemeinsamen Erklärung an einen Grundsatz, den der Ökumenische Rat der Kirchen bereits 1967 formuliert hat und der in der globalisierten Welt von heute nichts von seiner Dringlichkeit verloren hat: „Wer im Leben wenig hat, soll mehr im Recht haben.“ Unter dem Titel „Wirtschaft braucht Menschenrechte“ bekräftigten sie ihr Engagement für die Initiative und forderten, dass Schweizer Unternehmen ihre „rechtsstaatliche und humanitäre Herkunftskultur“ in die Welt tragen.
Kirchen sind keine extraterrestrischen Einrichtungen, die nur mit dem Jenseits zu tun haben
Das ist gut so. Denn Kirchen sind keine extraterrestrischen Einrichtungen, die nur mit dem Jenseits zu tun haben. Glaube und ethische Grundhaltung gehören untrennbar zum irdischen Leben, zum Diesseits. Deshalb kann und darf die Kirche auch bei sogenannt politischen Angelegenheiten nicht schweigen. Am allerwenigsten, wenn grundlegende Fragen wie die Anerkennung und Durchsetzung von Menschenrechten oder Themen wie Klimagerechtigkeit und die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Ärmsten zur Debatte stehen. „Die Völker müssen die Güter der Erde gerechter teilen“, forderte bereits Pfarrer Heinrich Hellstern, einer der Mitbegründer von Brot für alle Anfang der 1960er Jahre.
Das geht nicht ohne politisches Engagement. Es ist deshalb kein Zufall, dass Brot für alle zu den Gründungsmitgliedern verschiedener Fairtrade-Labels, darunter Max Havelaar, STEP oder der Clean Clothes Campaign gehörte. In den 1970er Jahren initiierte Brot für alle zusammen mit weiteren (mehrheitlich ebenfalls kirchlichen) Organisationen eine entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft, die heutige Alliance Sud. Diese lancierte 2012 – zusammen mit rund 45 weiteren Organisationen – die Kampagne „Recht ohne Grenzen", aus der die oben erwähnte Volksinitiative hervorgegangen ist. Auch hier gehörte Brot für alle von Anfang an zu den treibenden Kräften. Aus dem Stiftungszweck abgeleitet, hat Brot für alle – eine Stiftung der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz – den klaren Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass Werte wie die Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt weltweit eingehalten werden. Dass dies oft nicht der Fall ist, sehen und hören wir regelmäßig bei unserer Arbeit und von unseren Projektpartnern.
Es kann und darf aber nicht sein, dass sich international tätige Firmen je nach Land, in dem sie operieren, über Menschenrechte und die Bewahrung der Umwelt hinwegsetzen können. Gewinne, die auf Kosten von Menschen und Umwelt im Süden gehen, sabotieren nicht nur das Engagement unserer Partner, sondern untergraben jegliche Bestrebungen für mehr globale Gerechtigkeit. Genauso wenig können wir die Augen schließen, wenn etwa Schweizer Investitionen in fossile Energien, in Rohstoffabbau oder Kriegsmaterial das Leben von Menschen in fernen Ländern gefährden. Auch hier müssen wir unsere ethischen Grundwerte vehement verteidigen und dürfen bei der politischen Debatte nicht abseitsstehen. Denn auch Schweigen ist eine politische Stellungnahme.
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