Kein „Day Zero“ in Kapstadt

Christian Putsch
Während der Wasserkrise vor knapp drei Jahren konnten die Kapstädter Bürgerinnen und Bürger sich nur noch an öffentlichen Zapfstellen versorgen.
Trinkwasserknappheit
Vor knapp drei Jahren drohte Kapstadt als weltweit erster Metropole das Trinkwasser auszugehen. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, der Rat der Krisenmanager ist nun weltweit gefragt. 

Vor knapp drei Jahren drohte Kapstadt als weltweit erster Metropole das Trinkwasser auszugehen. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, der Rat der Krisenmanager ist nun weltweit gefragt. 

Die Meldung ging, wie die meisten erfreulichen Nachrichten in Zeiten der Covid-19-Pandemie, ein wenig unter. Ende Oktober gab Kapstadt bekannt, die Wasserrestriktionen nach fünf Jahren Dürre aufzuheben, schließlich sind die Stauseen wieder zu 99 Prozent gefüllt. „Die Kapstädter sollten extrem stolz sein“, jubelte die Stadtverwaltung, „sie haben ihren Teil beigetragen, um Day Zero zu vermeiden.“

Der Tag Null: Vor knapp drei Jahren hatte dieser apokalyptisch anmutende Begriff der Stadt weltweit für Aufsehen gesorgt. Als erster moderner Millionenmetropole überhaupt drohte am Kap das Trinkwasser auszugehen. Anfang des Jahres 2018 teilte die Stadt mit, es blieben nur noch wenige Monate, am 22. April 2018 würde es so weit sein. In Supermärkten waren fortan die Fünf-Liter-Wasserkanister vergriffen. Touristen sagten ihre Besuche ab.

Heute wirkt die zuständige Stadträtin Xanthea Limberg entspannter als damals, als sie Kata-strophenpläne erstellte, die 200 Ausgabepunkte für Wasserrationen vorsahen. „Bürger und Geschäfte haben das Ruder in Rekordzeit rumgerissen“, sagt sie. „Innerhalb von drei Jahren haben wir den Verbrauch um 60 Prozent reduziert.“ Dafür gab es eine Auszeichnung vom Fachverband „International Water Association“, schließlich hatten Städte in Australien bei Dürren über zehn Jahre für derartige Einsparungen gebraucht. 

Während Limberg und ihre Kollegen damals krisenerprobte Städte in Kalifornien um Rat baten, sind sie inzwischen selbst gefragte Ansprechpartner. Es kamen Anfragen aus Südamerika, aus Australien und Südeuropa. 

Jahrhundertdürre plus fehlender Ausbau der Wasserkapazitäten

In Kapstadt war es nicht nur eine Jahrhundertdürre, die beinahe zur Katastrophe geführt hätte. Der von Experten geforderte Ausbau der Wasserkapazitäten, wie zum Beispiel neue Staudämme und Meerwasseraufbereitung, war über Jahre aufgeschoben worden. Denn das Mandat dafür liegt bei der Regierung, wo der African National Congress (ANC) das Sagen hat. Die Unterstützung des Westkaps, der einzigen Provinz unter Kontrolle der Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), hat dort nachgeordnete Priorität. Erst als „Day Zero“ fast unausweichlich schien, stufte die Regierungspartei ANC die Situation als „nationale Katastrophe“ ein und schuf damit die rechtliche Voraussetzung für finanzielle Nothilfe.

Autor

Christian Putsch

ist freier Südafrika-Korrespondent in Kapstadt (www.christianputsch.de).
Neben den endlich einsetzenden Regenfällen halfen die ungewöhnlichen Methoden des Krisenmanagements. Auf einer Internetseite ließ sich für jedes Grundstück der Wasserverbrauch nachvollziehen. So manchen Großkonsumenten störten nicht die Geldstrafen, dafür aber die öffentliche Brandmarkung gegenüber den Nachbarn. „Auf der Karte“, erinnert sich Limberg, „tauchten täglich mehr grüne Punkte auf.“ Damit wurden Grundstücke markiert, die weniger als 6000 Liter im Monat verbrauchen.

In der ganzen Stadt wurde zudem der Wasserdruck gesenkt, damit weniger Wasser aus dem Hahn kommt. Viel zu spät widmete man sich auch der veralteten Infrastruktur. Im Jahr 2018 gab es fast doppelt so viele Einsätze zur Reparatur von Schäden der sanitären Infrastruktur wie in den Vorjahren. Kaum eine Werbefläche, die nicht mit Wassersparhinweisen belegt war, Künstler komponierten kurze Lieder, die als Zeitgeber für die längst nicht mehr tägliche Dusche galten. Und innerhalb weniger Wochen wurden neue Anlagen für die kostspielige Aufbereitung von Meerwasser und Abwasser installiert, dazu zahlreiche Bohrlöcher. 

Nicht überall wurde der rigorose Kurs der Stadt begrüßt. Bei uneinsichtigen Haushalten setzte die Stadt mit Unterstützung der Polizei Geräte ein, die nach 350 Litern täglich die Wasserzufuhr abdrehte. Besonders in dem Armenviertel Mitchell’s Plain gab es dagegen gewaltsame Proteste. Limberg verteidigt das Vorgehen: „Wenn wir nicht so aggressiv die Kontrolle über die Situation gewonnen hätten, wären wir nicht an dem Punkt von heute.“ 

Der anhaltend niedrige Wasserverbrauch hat aber auch zur Folge, dass sich die Einnahmen der Stadt aus der Wasserversorgung fast halbiert haben. Sie gehören in Südafrika zu den wichtigsten Finanzquellen der Städte. In Kapstadt stand die Finanzierung der Wartungsarbeiten auf der Kippe. 

Erhöhte Tarife sorgten für Verstimmung

Auch als sich die Wasserversorgung ab 2019 entspannte, hielt Kapstadt deshalb an erhöhten Tarifen fest. Das sorgte für Verstimmung. Zwar zahlen die Ärmsten der Armen oft nichts für Wasser. Die Bewohner der Blechhütten teilen sich oft mit vielen Familien einen Wasserhahn, etablierte Township-Haushalte in kleinen Steinhäusern bekommen eine geringe Grundversorgung umsonst. Doch damit kommen die meisten nicht aus. 

Erst vor wenigen Wochen wurden die Tarife deutlich gesenkt. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind für viele Südafrikaner existenzbedrohend. Das Land hatte lange einen strikten Lockdown verhängt, der in vielen Armenvierteln nicht eingehalten werden konnte, weil man ja zum gemeinsam genutzten Wasserhahn gehen musste – oder bis zur nächsten geteilten Toilette. 

Fest steht, dass die Stadt trotz der derzeit vollen Dämme in die Wasserversorgung investieren wird. Man will sich weder auf Regen noch die Regierung verlassen. Das habe die Erfahrung gelehrt, sagt Limberg. Zumal es zu früh sei, die Dürre für beendet zu erklären. 

Tatsächlich ist die Situation schon in der Nachbarprovinz, dem Ostkap, dramatisch. Dort sind ganze Dörfer auf die Versorgung durch Dutzende Tankwagen angewiesen. Hier ist „Day Zero“ längst Realität geworden.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2020: Auf die Heißzeit vorbereiten
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