Größere Gewaltausbrüche in West-, Zentral- und Ostafrika werden häufig auf Konflikte zwischen sesshaften Bauern und umherziehenden Viehhirten (Pastoralisten) zurückgeführt. Doch diese Betrachtung sei zu oberflächlich, heißt es in einer neuen Studie des Internationalen Instituts für Umwelt und Entwicklung (IIED).
Tatsächlich haben danach vor allem in einigen Ländern West- und Zentralafrikas Gewaltkonflikte in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen, aber die sogenannten „Farmer-Herder“-Konflikte seien nicht im gleichen Maße gestiegen. Das schließen die Autoren aus den von der NGO ACLED (Armed Conflict Location and Events Data) zusammengetragenen Daten für 16 Länder in West-, Zentral und Ostafrika: In der Zeit von 1997 bis 2017 seien bei einer Gesamtbevölkerung von 580 Millionen in diesen Länder 173.000 Zivilisten bei Konflikten getötet worden. Davon seien 10.000 Tote auf Konflikte zurückzuführen, in die Pastoralisten verwickelt waren.
In nur zwei Prozent aller betrachteten Gewaltkonflikte habe es sich um Streitigkeiten zwischen sesshaften Bauern und nomadischen Viehhirten gehandelt. Der Anteil dieser „Farmer-Herder“-Konflikte an allen Konflikten sei in Ländern wie Nigeria und der Zentralafrikanischen Republik nicht außergewöhnlich hoch, in Ländern wie Mali, Niger, Senegal, Kamerun und dem Tschad sei er sogar bemerkenswert niedrig, schreiben die Autoren. Natürlich gebe es in diesen Ländern „Konflikt-Hotspots“, aber in vielen großen Regionen seien die Beziehungen eben auch friedlich und kooperativ.
Beide Systeme haben sich über Generationen ergänzt
Warum bestimmen dann „Farmer-Herder“-Konflikte dennoch vielerorts die öffentliche Wahrnehmung und politische Debatten? Der Grund dafür ist laut der Studie die Annahme, dass Konflikte zwischen Bauern und Viehhirten „unvermeidbar“ seien, eben weil beide Seiten „natürlich“ um Ressourcen wie Land und Wasser streiten. Dabei werde aber ignoriert, dass sich die beiden verschiedenen Formen des Lebensunterhalts in großen Teilen Afrikas über Generationen gut ergänzt haben. Das abwertende Bild von herumziehenden Viehhirten, die Unsicherheit verbreiten, müsse überwunden werden. Theoretiker und Entscheidungsträger müssten aufhören, den Pastoralismus als unproduktives, der Vergangenheit verhaftetes System darzustellen, und anerkennen, dass er in Trockengebieten eine angepasste und effektive Art der Nahrungsmittelproduktion sei.
Statt die Gruppen gegeneinander auszuspielen, müssten Verantwortungsträger mit allen Beteiligten nach den Wurzeln der Streitigkeiten suchen. Behörden müssten eine faire und unparteiische Plattform für beide Seiten bieten, damit Lösungen gefunden werden können.
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