Ohne Strategie keine nachhaltige Zukunft

Pablo Gianinazzi, Keystone, Picture Alliance
Auf der Schweizer Meisterschaft der Erstmelkkühe – hier im Jahr 2017 – geht es um die höchste Milchleistung. Die Agrarsubventionen wirken heute einer Wende zur Nachhaltigkeit entgegen.
Schweizer Agenda 2030
Die Regierung arbeitet an einer neuen Umsetzungsstrategie für die UN-Nachhaltigkeitsziele. Aus Sicht zivilgesellschaftlicher Gruppen lässt sie sich zu viel Zeit damit.

Die Schweiz muss voraussichtlich eineinhalb Jahre ohne eine Strategie für die Umsetzung der UN-Agenda 2030 auskommen. Im März 2019 hatte der Bundesrat die Strategie Nachhaltige Entwicklung (SNE) zum Hauptinstrument zur Umsetzung der Agenda erklärt, ließ sie aber Ende 2019 auslaufen. An der neuen Strategie wird schon länger gearbeitet; sie soll nicht mehr nur vier, sondern die nächsten zehn Jahre abdecken. Ende 2019 kündigte die Regierung an, die SNE für die Jahre 2020 bis 2030 werde in die Vernehmlassung geschickt, um Stimmen aus der Gesellschaft einzuholen und der Agenda 2030 auf diese Weise breiteren Rückhalt zu verschaffen.

Gemäß verlässlicher Quelle sei der Start der Vernehmlassung nun für November geplant, sagt Eva Schmassmann, Koordinatorin der Plattform Agenda 2030, ein Netzwerk von rund 50 Schweizer Vereinen, Verbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften. Das bedeutet, die neue Strategie wird frühestens im Frühling 2021 verabschiedet. Es sei „peinlich“, dass der Bundesrat aus der SNE das Hauptinstrument für die Umsetzung der Agenda 2030 machen wolle, aber ihre Verabschiedung in die Länge ziehe, sagt sie. Das zeuge von einem Mangel an politischem Willen.

Eine Mitte 2019 veröffentlichte Evaluation attestiert der Strategie Nachhaltige Entwicklung für die Jahre 2016 bis 2019 zudem mehrere Schwächen. Gemäß dem Bericht schaffe die Strategie zwar eine Übersicht zu den Themen, Zielen und Maßnahmen, die der Bund im Bereich der nachhaltigen Entwicklung anstrebt und umsetzt. Doch ihr Einfluss auf eine kohärente Nachhaltigkeitspolitik sei gering. „Es fehlen dazu die politische Unterstützung, die institutionellen Voraussetzungen, die Instrumente und die Ressourcen“, heißt es im Bericht. Seit der letzten externen Evaluation im Jahr 2011 hätten sich die Voraussetzungen für eine wirksame SNE kaum verbessert.  

Eine Strategie zur Umsetzung der Agenda 2030 müsse mehr bieten als bloß Maßnahmen aufzulisten, sagt Schmassmann. Sie müsse eine „lenkende Wirkung“ haben und Inkohärenzen in der Schweizer Politik auflösen. Waffenexporte in Bürgerkriegsländer sind ein Beispiel für Inkohärenzen, die den Zielen der Agenda 2030 entgegenwirken. Auch die in einer Studie des Naturschutzvereins Pro Natura aufgezeigten 160 verschiedenen staatlichen Subventionen für Landwirte, die Stromproduktion und andere Infrastrukturprojekte widersprechen Zielen der Agenda 2030. Das Bundesamt für Raumentwicklung ist hauptverantwortlich für die Umsetzung der Agenda. Es sei aber mit wenigen Ressourcen ausgestattet und habe zu wenig Durchsetzungskraft, um Interessenkonflikte in der Bundesverwaltung zu lösen, sagt Schmassmann.

Die Plattform Agenda 2030 fordert nun vom Bundesrat eine wirksame Strategie. Es sei höchste Zeit, dass er die SNE in die Vernehmlassung gebe und so „den Weg bereitet zur Verabschiedung einer neuen Strategie, die den Ambitionen der Agenda 2030 gerecht wird“.
Christina Stucky

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erschienen in Ausgabe 11 / 2020: Erbe des Kolonialismus
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