Marktverkäuferin in Nairobi: Viele Kunden in Kenia bevorzugen den weißen Knoblauch aus China.
An einem feuchtheißen Morgen an den Hängen des Mount Kenya erledigt der 38-jährige Solomon Wambogo Munyua seine tägliche Routine: Er sprüht Wasser auf die festen, grünen Triebe der Knoblauch-Pflänzchen, die er letztes Jahr ausgesät hat. Hier im ostafrikanischen Grabenbruch ist die Erde fruchtbar.
Trotzdem haben Knoblauchfarmer wie Munyua mit Herausforderungen zu kämpfen: Ihre Transportkosten sind hoch und die Knoblauchpreise niedrig. Das scheint allerdings nicht der Rede wert im Vergleich zu einem ganz neuen Problem, dem sie sich zunehmend hilflos gegenübersehen: den Importen von chinesischem Knoblauch für den kenianischen Markt.
Die Knoblauchfarmer in dem ostafrikanischen Land – immerhin dem wirtschaftsstärksten in der Region – beklagen, dass ihr Geschäft unter diesen Importen leidet. Munyua findet, dass der chinesische Knoblauch den örtlichen Markt dominiert, und das verunsichert die Farmer. Er und andere kenianische Farmer beschuldigen China des „Knoblauch-Dumpings“.
Munyuas Ärger lässt nur einen Bruchteil der Auswirkungen aufscheinen, die Chinas Präsenz in der Region auf die kenianische und die gesamte afrikanische Wirtschaft hat. Viele ostafrikanische Bauern beklagen, dass sie es dadurch schwerer hätten, über die Runden zu kommen.
Afrika gibt zu viel Geld für Nahrungsimporte aus
Landwirtschaft macht 26 Prozent der kenianischen Wirtschaft aus – allein der Farmbetrieb beschäftigt 40 Prozent der 49 Millionen Kenianer. Laut Kenias Referat für Kulturpflanzen (HCD) importiert das Land inzwischen die Hälfte seines Knoblauchs aus China. James Kamau, ein 40 Jahre alter Knoblauchfarmer in Nakura, der eine Onlinegruppe mit 1200 gleichgesinnten Mitgliedern betreut – widerspricht den Angaben des Referats. „Wenn sie auf die Märkte gehen würden, könnten sie sehen, dass 80 Prozent des Knoblauchs dort aus China stammt“, sagt er.
In den vergangenen Jahren sind die Importe von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Gütern aus China stark gewachsen. Nicht nur in Kenia, sondern in ganz Afrika. Die afrikanische Entwicklungsbank AFDB hat 2018 angemahnt, dass Afrika jedes Jahr viel zu viel Geld für Nahrungsimporte ausgibt, geschätzte 35 Milliarden US-Dollar. Die Bank nannte das ein Paradox, angesichts der Tatsache, dass 60 Prozent von Afrikas 1,2 Milliarden-Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten und der ganze Kontinent über 65 Prozent der weltweit ungenutzten Ackerfläche mit einer Fülle von Wasser verfügt.
Import von Fisch gestoppt
Der Konflikt um den Knoblauch hat in den vergangenen Jahren die Spannungen verschärft, die bereits wegen des Fischs zwischen China und Kenia bestanden. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta hatte Ende des Jahres 2018 den Import von Fisch aus China gestoppt, weil er der Ansicht war, dass chinesischer Fisch den kenianischen Markt flutet und die Geschäfte der örtlichen Fischereien untergräbt. China drohte Kenia daraufhin mit Handelssanktionen. Zudem drohten chinesische Funktionäre damit, bereits zugesagte Gelder für die Eisenbahnlinie (Standard Gauge Railway oder SGR) zu entziehen, die Nairobi mit Mombasa verbindet und damit der ostafrikanischen Stadt mit dem größten Hafen am Indischen Ozean.
###autor###Die hohe Verschuldung durch Handel und Infrastruktur zeigt, das Kenia im Prinzip keine Möglichkeit hat, das Kräftespiel mit China für sich zu entscheiden. Im Januar 2019 hob Kenia den Importstopp für chinesischen Fisch auf. Diese Kapitulation zeigt auch, dass Kenia trotz allem auf ausländische Importe angewiesen ist, weil die kenianischen Fischer allein die örtliche Nachfrage nicht befriedigen können. Außerdem kann China den Fisch schnell und in der richtigen Menge nach Kenia exportieren.
Auch für die Knoblauchbauern in Kenia ist eines der Hauptprobleme die begrenzte Produktionskapazität. Landwirtschaftliche Produkte in Kenia herzustellen, ist teuer. Das liegt an ungenügendem Wissen über Landwirtschaft, an nur begrenzt verfügbaren Maschinen und einem Mangel an Technologie. „So lange wir selbst nicht genug Knoblauch produzieren, werden wir noch Knoblauch aus China kaufen müssen“, sagt ein HCD-Sprecher.
Die Kenianer bevorzugen weiße Knoblauchzehen
Kamau ist der Meinung, dass die kenianischen Farmer unter diesen Bedingungen nicht mit den chinesischen konkurrieren können. „Bei den Chinesen wird der Knoblauch durch Maschinen gewaschen, ein kenianischer Farmer kann sich so etwas nicht leisten.“
Kamau hat außerdem festgestellt, dass die kenianischen Kunden die „weißen, sauberen und gewaschenen“ Knoblauchzehen bevorzugen. Sie wünschen sich auch die größeren, runderen und glatteren Knoblauchknollen, denn deren Zehen lassen sich leichter von Hand schälen als die kleineren, verschlungeneren der kenianischen Knollen. Doch davon abgesehen: „Kenianischer Knoblauch ist sehr süß, deswegen weiß ich nicht, warum die Kunden den chinesischen Knoblauch bevorzugen“, sagt Munyua.
Laut Kamau hat ursprünglich vor allem die indische Gemeinschaft in Kenia den Knoblauch zum Kochen benutzt. Viele Kenianer fingen jetzt erst an, den Knoblauch für ihre Küche als Gewürz zu nutzen. Dieser Mangel an Erfahrung mache „unsere Konsumenten naiv. Wenn sie etwas Weißes sehen, nehmen sie es einfach“. Kamau kritisiert dieses Verhalten als „Faulheit“. Die kenianischen Kunden kauften den chinesischen Knoblauch nur deshalb, weil er einfacher zu schälen ist. „Doch der kenianische Knoblauch ist in Geschmack und Aroma viel besser“, ist er überzeugt.
Das Verhalten der kenianischen Kunden ändert sich auch, weil immer mehr Supermärkte die kleinen traditionellen Läden verdrängen. Zum Beispiel in den unzähligen Einkaufszentren Nairobis, in denen gut betuchte Kenianer einkaufen. „Sie wollen den großen Knoblauch, die großen Kartoffeln und die großen Karotten“, sagt Munyua.
Biomärkte verkaufen lieber den kenianischen Knoblauch
Wie auch immer – die kenianischen Farmer produzieren so oder so nicht genug Knoblauch, um die gesamte Nachfrage abzudecken. Laut Daten der HCD sind es pro Jahr geschätzte 2000 Tonnen Knoblauch, und damit viel zu wenig, um die inländische Nachfrage zu befriedigen. Auch der Transport ist eine Hürde: Die meisten Knoblauchfarmen in Nyeri County sind klein. Die Bauern verkaufen ihre Produkte an örtliche Händler, denn die Märkte in der Hauptstadt Nairobi sind vier Fahrtstunden von ihnen entfernt.
Von den kleinen Grundstücken, auf denen Munyuas Farmen liegen, ist man nach einer halbstündigen, rütteligen Fahrt in Kiawara, einer kleinen Stadt an der Hauptstraße nach Nairobi. Der Marktpreis in Kiawara für Knoblauch liegt bei 1,30 US-Dollar pro Kilogramm, sagt Munyua. Er ärgert sich darüber, dass die Händler nicht mehr für den Knoblauch bezahlen. Dennoch kann er mit seinem Verdienst seinen Sohn und seine Tochter zur Schule schicken.
Munyua hat sich vorgenommen, die Vorzüge von kenianischem Knoblauch zu beweisen. Er sagt, dass die Biomärkte in Nairobi lieber den kenianischen Knoblauch verkaufen, wegen seines besseren Geschmacks und seiner ökologischen Anbauweise. Er zieht einen langen grünen Knoblauchtrieb aus dem Boden, schüttelt die Erde ab und wir beißen davon ab. Er ist süß und wohlriechend mit einem intensiven Knoblauchgeschmack, der ganz fein und nicht übermächtig ist.
Eunice Ngima, 38, eine Knoblauchverkäuferin in Kiawara, ist genauso wie die Farmer der Meinung, dass der kenianische Knoblauch die bessere Qualität hat. Sie nutzt den Knoblauch aus der Region vor allem für traditionelle Stews – wie etwa Githeri, das mit Fleisch, Zwiebeln, Zitronensaft und reichlich Knoblauch gemacht wird. „Der kenianische Knoblauch schmeckt besser, außerdem bauen die Bauern ihn ohne Chemie an“, sagt sie.
Die kenianischen Farmer, die wegen der Importe des chinesischen Knoblauchs besorgt sind, fordern die Regierung zum Handeln auf: „Chinesischer Knoblauch sollte so hoch besteuert werden, dass die kenianischen Bauern etwas verdienen“, sagt Munyua. Während afrikanische Regierungen Chinas Engagement begrüßen, stellen die Farmer die Beziehung zwischen China und Afrika infrage. Munyua glaubt, dass nur Politiker, aber nicht die normalen Bürger, von Chinas Präsenz in Afrika profitieren.
Aus dem Englischen von Melanie Kräuter.
Die Recherche für den Artikel wurde von der Alicia Patterson Foundation gefördert.
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