Etwa 100.000 im Ausland gestrandete Urlauber will die Bundesregierung in den kommenden Tagen zurückholen. Am Mittwoch starteten die ersten Flugzeuge Richtung Ägypten, Marokko und Dominikanische Republik – 50 Millionen Euro hat die Bundesregierung zur Finanzierung der „Luftbrücke“ zugesagt. Am selben Tag verkündete das Innenministerium, die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen werde wegen der Covid-19-Pandemie ausgesetzt. Das ist ein falsches Signal: Gerade jetzt dürfen humanitäre Verpflichtungen und der globale Flüchtlingsschutz nicht leichtfertig über Bord geworfen werden.
Ausgesetzt ist nach Angaben des Ministeriums unter anderem die Aufnahme von 5500 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, die über das UNHCR-Resettlement-Programm nach Deutschland kommen sollten. Immerhin: An der Aufnahme von einigen hundert Kindern und Jugendlichen von den griechischen Inseln will das Innenministerium vorerst festhalten. Dass die Covid-19-Pandemie die Behörden vor große Aufgaben und Schwierigkeiten stellt, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wenn es möglich ist, 100.000 Urlauber in nur wenigen Tagen zurückzuholen, dann sollte die Aufnahme von einer vergleichsweise kleinen Zahl von Flüchtlingen ebenfalls machbar sein.
Auch das Asylrecht darf jetzt nicht eingeschränkt werden. Seit Dienstag dürfen Drittstaatsangehörige nur noch nach Deutschland einreisen, wenn sie einen Aufenthaltstitel oder ein längerfristiges Visum vorweisen können. Alle ohne „dringenden Einreisegrund“ werden dem Innenministerium zufolge an den Flughäfen oder der Grenze wieder zurückgeschickt. Das darf nicht dazu führen, dass Schutzsuchende zurückgewiesen werden, ohne ihnen die Chance zu geben, einen Asylantrag zu stellen. Denn das wäre ein Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention und den europäischen Asylrichtlinien.
In ihrer vielfach gelobten Fernsehansprache mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Solidarität und lobte die vielerorts in Deutschland zu beobachtende Hilfsbereitschaft. Doch das ist wenig wert, wenn wir gleichzeitig die Schwächsten und Schutzbedürftigsten anderswo aus dem Blick verlieren. Dazu zählen Menschen auf der Flucht und die Bewohner von überfüllten Flüchtlingslagern, die oftmals bereits geschwächt sind und nur schwer die jetzt so notwendige räumliche Distanz zueinander wahren können. Die derzeitige Ausnahmesituation darf nicht dazu führen, die Institutionen des globalen Flüchtlingsschutzes weiter zu untergraben. Auch das ist in Zeiten von Corona eine Frage der Solidarität.
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