Auf welche Art sind die Menschen in Bangladesch heute schon vom Klimawandel betroffen?
Der steigende Meerwasserspiegel führt in einigen Küstenregionen zu einer Versalzung der Böden und des Grundwassers. Stürme nehmen zu, und vor allem im Norden gibt es häufiger Dürren. Während des letzten Monsuns zum Beispiel hat es sieben Monate lang nicht geregnet. Das gab es noch nie.
Welche Art Anpassungsmaßnahmen sind vordringlich?
Zunächst einmal sollten wir uns die Strategien der lokalen Bevölkerung anschauen. Der Klimawandel ist zwar noch jung, aber unser Land hat in der Vergangenheit schon viele Katastrophen erlebt – Stürme, Überschwemmungen oder Dürren. Die Leute haben ihre eigenen Methoden, damit umzugehen. Auf diesen sollten wir aufbauen, sie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen verknüpfen und dann nationale Pläne formulieren.
Bitte geben Sie ein Beispiel für eine solche lokale Methode.
In den von Überschwemmungen betroffenen Regionen greifen die Menschen seit mehr als 300 Jahren auf eine Praxis namens Gaota zurück: Sie bauen sich aus Reisstroh oder aus Wasserhyazinthen schwimmende Beete und pflanzen darauf Gemüse. Die Pflanzen erhalten die benötigten Nährstoffe nicht aus der Erde, sondern aus dem Wasser. Bei schlimmen Überschwemmungen suchen sogar Menschen mit ihren Tieren auf diesen Beeten Schutz.
Wissen die Leute auch mit der Versalzung von Böden und Grundwasser umzugehen?
Ja, im Gangesdelta bauen die Menschen seit rund 150 Jahren etwa zweieinhalb Meter tiefe Kanäle um ihre Häuser, Konkona genannt. Darin sammeln sie Regenwasser zum Trinken und für die Landwirtschaft, teilweise züchten sie auch Fische darin. Mit der zunehmenden Versalzung wird diese alte Praxis wieder wichtiger.
Bangladesch gilt als Musterland bei der Formulierung von Anpassungsstrategien, an denen die Bevölkerung beteiligt ist. Zu recht?
Nein. Das Nationale Aktionsprogramm haben ausschließlich Experten ausgearbeitet. Die Regierung hat zwar auf regionaler Ebene Workshops organisiert, aber da wurde nur über den schon fertigen Entwurf diskutiert. Die Regierung hätte die Leute früher einbeziehen, ihre Methoden studieren und diese dann in das Aktionsprogramm einbauen sollen. Aber das ist nie passiert.
Vor einem Jahr hat die Regierung eine neue Strategie vorgelegt, die die nächsten zehn Jahre umfasst. Waren lokale Gemeinschaften daran stärker beteiligt?
Nein, eher noch weniger. Ein Grund dafür ist, dass die Regierung sich ziemlich beeilen musste, weil die Strategie auf einer Konferenz der britischen Regierung im September 2008 in London vorgelegt werden sollte. Das Problem ist, dass es so viele Experten gibt, die großes Interesse haben, derlei Studien auszuarbeiten – und sei es, dass sie immer neue Papiere ähnlichen Inhalts schreiben. Wir haben bereits eine Menge Strategien für die verschiedensten Bereiche, aber die meisten funktionieren nicht. Wir haben eine Strategie zur Küstenentwicklung, wir haben einen Plan zur Küstenentwicklung, wir haben einen Nationalen Aktionsplan zum Erhalt der Biodiversität und was weiß ich noch alles. Wir haben alles, weil wir nach jeder Konferenz irgendwelche Strategiepapiere ausarbeiten müssen. Die meisten werden allerdings nie verwirklicht.
Droht dieses Schicksal auch den Klimastrategien?
Ein paar Dinge sind anders. Die gegenwärtige Regierung, die seit Januar dieses Jahres im Amt ist, hat auf die Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen reagiert und will das NAPA und die Zehnjahresstrategie noch einmal prüfen. Und sie hat einen Finanzposten für Klimaschutz im Staatshaushalt angelegt, für 2009/2010 umgerechnet rund 70 Millionen Euro.
Sind Sie zuversichtlich, dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird?
Die Regierung ist nach unserer Ansicht insgesamt erfreulich aufgeschlossen gegenüber der Verwirklichung der Klimastrategien. Zum Beispiel arbeitet sie derzeit an Richtlinien, wie das Geld für Anpassungsmaßnahmen verwendet werden soll. Es gibt aber ein anderes Problem: Als die Regierung vor einem Jahr in London ihre Zehnjahresstrategie präsentiert hat, wurde ein Fonds eingerichtet, in den die Geber ihre Hilfe einzahlen können. Es wurde beschlossen, dass die Weltbank diesen Fonds verwaltet. Das war eine schlechte Entscheidung, da wir der Weltbank nicht trauen können.
Wer sollte das Geld verwalten?
Die Regierung kann das doch selbst. Oder es könnte ein Komitee geschaffen werden, in dem auch die Zivilgesellschaft vertreten ist. Es gibt viele Möglichkeiten. Aber wenn die Weltbank das Geld ausgibt, gibt es keine Garantie, dass die Ärmsten etwas davon haben. Und es ist völlig klar, dass die Regierung viel Geld sparen könnte, wenn sie lokale Methoden zur Anpassung an den Klimawandel berücksichtigen und ihre Maßnahmen darauf aufbauen würde.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
Sukanta Sen ist Direktor des nichtstaatlichen Bangladesh Resource Centre for Indigenous Knowledge (BARCIK) in Dhaka. Das Zentrum, eine Partnerorganisation von Misereor, will traditionelles Wissen für Entwicklung fruchtbar machen.