Jetzt ist es beschlossen: Großbritannien wird die Europäische Union Ende Januar verlassen. Offen ist, ob Premierminister Boris Johnson das Department for International Development (DfID) als eigenständiges Ministerium erhalten will. Alles andere wäre ein herber Rückschlag für die britische Entwicklungspolitik.
Johnson hatte das Ministerium zuletzt mit polemischer Kritik quasi sturmreif geschossen. Das DfID sei „außer Kontrolle“ geraten und verhalte sich wie „irgendeine unabhängige skandinavische NGO“, polterte der Regierungschef. Die britische Entwicklungshilfe sei „verschwenderisch“, das Geld werde aus dem Fenster geworfen. Das Budget müsse deshalb unter die Kontrolle des Außenministers gestellt werden, sagte Johnson im Dezember. Kurz: Das DfID solle ins Außenministerium integriert werden.
Dann vermeldete Anfang Januar die Zeitung „Daily Mail“ eine vermeintliche Kehrtwende: Das DfID solle doch eigenständig bleiben. Die Erleichterung bei britischen Hilfsorganisationen und Entwicklungspolitikerinnen währte allerdings nur kurz. Denn zwei Tage später berichtete die „Times“, das Ministerium bleibe zwar erhalten, aber ohne eigenen Chef. Zuständig sei in Zukunft der Außenminister, was darauf hinauslaufen würde, das DfID letztlich doch zu einer Abteilung des Außenamts zu degradieren. Endgültig wolle Johnson sich erst nach dem Brexit äußern, hieß es in der „Times“.
Das DfID hat sich einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet
So oder so: Es wird darauf hinauslaufen, dass das DfID an Eigenständigkeit verliert. Für die britische Entwicklungspolitik und für Großbritanniens Image in der Welt ist das schlecht. Das DfID hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1997 einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Es hat immer wieder innovative Ansätze gefördert, etwa in der zivil-militärischen Zusammenarbeit oder der ergebnisorientierten Hilfe. Die waren manchmal umstritten, haben aber oft das entwicklungspolitische Denken vorangebracht. In Ranglisten zur Transparenz der Hilfe stand das DfID meistens ganz oben.
Aus Sicht von Boris Johnson ist das nicht der Rede wert. Das Programm seiner Partei für die Zeit nach dem Brexit lautet, Großbritannien stark zu machen. Für die Entwicklungspolitik heißt das: Sie hat künftig vor allem den Zweck, aus den Partnerländern im Süden florierende Handels- und Wirtschaftspartner für „Global Britain“ zu machen. So stand es bereits in einem DfID-Strategiepapier vom Januar 2017.
Ironie der Geschichte: Genau diese Verquickung von Handels-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik führte in den 1990er Jahren, als Entwicklungspolitik noch Sache des Außenministeriums war, zu einem handfesten Korruptionsskandal um den Bau eines mit britischer Hilfe gebauten Staudamms in Malaysia. Als der Fall aufgearbeitet war, wurde als Konsequenz ein neues Ministerium geschaffen: das unabhängige Department for International Development.
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