Der freiwillige Ansatz hat weltweit versagt

Herausgeberkolumne
Im Grunde ist es einfach: Wer Menschenrechte verletzt, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Dennoch muss sich die Initiative für Konzernverantwortung gegen die Lobbyarbeit der Konzerne durchsetzen.

Nicht nur Staaten, sondern auch Wirtschaftsunternehmen müssen die Menschenrechte einhalten. Für Firmen gilt seit 2016 die Sorgfaltspflicht, darauf zu achten, dass bei ihren Geschäften Mensch und Umwelt keinen Schaden erleiden. Passiert das dennoch, müssen sie die Opfer entschädigen. Das ist in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verbrieft. Ein Abkommen „Wirtschaft und Menschenrechte“ wird in Genf bei den Vereinten Nationen verhandelt.

Dennoch treten viele Konzerne Menschenrechte und Umwelt mit Füßen, und ebenso viele Regierungen zieren sich, die UN-Leitprinzipien in nationales Recht zu übernehmen. Dies ist besonders gut in der Schweiz zu beobachten, einem Land, das die weltweit größte Dichte an multinationalen Konzernen aufweist. Der von der Konzernverantwortungsinitiative vorgeschlagene neue Verfassungsartikel 101a zur „Verantwortung von Unternehmen“ trifft auf den starken Widerstand der Wirtschaftsverbände und der rechtsbürgerlichen Parteien. Die Entscheidung soll noch dieses Jahr fallen, entweder im Parlament oder in einer Volksabstimmung.

Dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte verletzen, wird auch vom Bundesrat nicht in Abrede gestellt. Mal sind es Mitarbeitende des Rohstoffriesen Glencore, die Bauern in Peru prügeln und von ihrem Land vertreiben, mal zeigen Kinder im Umfeld von Bergbaubetrieben Vergiftungserscheinungen. Der Agrarkonzern Syngenta exportiert aus der Schweiz verbotene Pestizide in den globalen Süden, und in den afrikanischen Tochterunternehmen des Baustoffherstellers Lafarge Holcim arbeiten Kinder in Zementwerken. Die Schweiz ist ein attraktiver Standort für international operierende Firmen und der Schweizer Wohlstand wird dadurch genährt.

Handfeste Wirtschaftsinteressen

Das bedeutet nicht, dass die Schweizerinnen und Schweizer das tolerieren. Quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Parteien ist man sich einig: Wer bei Menschenrechten und Umwelt über Rot fährt, muss auch Verantwortung übernehmen. Rund um die Konzernverantwortungsinitiaitve gruppieren sich inzwischen über 100 NGOs, 150 Unternehmer und Unternehmerinnen, ein parteiübergreifendes Unterstützungskomitee, katholische wie reformierte Kirche und Tausende Menschen in über 300 Lokalkomitees. Auch die große Parlamentskammer, der Nationalrat, hat einem Gesetzentwurf zugestimmt, der als Gegenvorschlag die Anliegen der Initiative in vielen wichtigen Punkten aufgreift.

Trotz dieser breiten Verankerung gibt es das Gesetz noch immer nicht und es hat schon bewegte Momente erlebt: Im Jahr 2015 stimmte das Parlament über eine gesetzliche Sorgfaltsprüfung ab. Die Abstimmung wurde unter mysteriösen Umständen für ungültig erklärt. Im September 2019 wurde eine geplante Abstimmung in der kleinen Kammer – dem Ständerat – kurzfristig abgesagt. Schließlich versuchte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) 2019 Volk und Parlament mit einem inhaltsleeren Alternativvorschlag zu verwirren. Und zuletzt verriet ein Wirtschaftsmagazin, dass die Industrieverbände Economiesuisse und Swissholdings zehn Millionen Franken in eine Öffentlichkeitskampagne investieren wollen, um das Gesetz zu verhindern. Es geht um viel: um die Rechte von Menschen weltweit, um die Frage, was uns unsere Schöpfung wert ist, um den Ruf der Schweiz und um handfeste Wirtschaftsinteressen.

Gesetze zur Verhinderung von Menschenhandel

In vielen Ländern steht derzeit die Frage nach der Konzernverantwortung auf der politischen Agenda: Die Niederländer haben 2019 ein Gesetz verabschiedet, das Unternehmen, die von Kinderarbeit profitieren, strafrechtlich haftbar macht. In Großbritannien ist mit dem Modern Slavery Act 2015 ein ähnliches Gesetz zur Verhinderung von Sklaverei und Menschenhandel in Kraft. Deutschland, Italien, Norwegen und Belgien diskutieren über ähnliche Regelungen. Denn der freiwillige Ansatz hat weltweit versagt.

Sollte sich das Parlament nicht zu einem Gegenvorschlag zur Initiative durchringen, kommt es zur Volksabstimmung. Fastenopfer wird sich als Mitinitiator der Initiative im Namen der vielen Opfer von Menschenrechtsverletzungen und im Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung weiterhin für die Konzernverantwortungsinitiative einsetzen.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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