Afrika an der Seitenlinie

Libyen
Die Afrikanische Union sollte stärker an der Lösung des Konflikts in Libyen beteiligt werden, meint Tillmann Elliesen.

Großes Lob überall für die Bundesregierung für ihre Libyen-Konferenz am vergangenen Wochenende in Berlin. Es ist ja auch ein Erfolg, dass sich die an dem libyschen Konfliktparteien und die von außen mitmischenden Staaten im Kanzleramt versammelt und sich auf einen neuen Plan zur Beilegung der Kampfhandlungen und zur Stabilisierung des Landes sowie erneut auf ein Waffenembargo verständigt haben. Lob erhielt Bundeskanzlerin Angela Merkel auch dafür, dass sie die Vereinten Nationen so prominent in die Konferenz eingebunden und damit ein Zeichen für multilaterale Friedenspolitik gesetzt hat: Gemeinsam mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres begrüßte sie vor dem Kanzleramt jeden einzelnen ankommenden Teilnehmer.

Aber warum nicht auch mit einem Vertreter der Afrikanischen Union (AU), etwa Moussa Faki Mahamat, dem Präsidenten der AU-Kommission, der ebenfalls in Berlin war? Es ist bezeichnend, dass Faki auf den symbolträchtigen Bildern mit Merkel und Guterres fehlt: Libyen liegt zwar in Afrika, aber die Afrikanische Union hat bislang keine große Rolle gespielt bei den Versuchen, den Konflikt zu lösen.

Das liegt teilweise daran, dass die AU-Mitglieder sich in mancher Hinsicht selbst nicht einig sind. Es liegt aber auch daran, dass in den Konflikt verstrickte Staaten wie Italien, Frankreich oder Russland sowie die Vereinten Nationen die Afrikaner bisher nicht in erster Reihe dabei haben wollten. Kurz vor dem Treffen in Berlin ließ Faki über eine Sprecherin erklären, die Afrikanische Union habe immer wieder nach einer gewichtigeren Rolle gefragt, „aber sie wurde stets ignoriert“. Und eine Expertin der International Crisis Group sagte, für die Vereinten Nationen sei die AU „nicht notwendig eine entscheidende Stimme“.

Libyens Nachbarn in Afrika sind viel stärker bedroht von dem Chaos dort als Europa

Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass die Afrikanische Union bei der Konfliktbearbeitung in Libyen ganz vorne mitmacht. Denn Libyens Nachbarn in Afrika sind viel stärker bedroht von dem Chaos dort als Europa. Seit Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 gestürzt und getötet wurde, ist das Land in weiten Teilen praktisch unregierbar. Seitdem haben sich von dort ungehindert bewaffnete Kämpfer und Soldaten, islamistische Extremisten, Schmuggler und andere Ganoven in den Ländern der Sahel-Zone verbreitet. Das Ergebnis sind zunehmende Gewalt, Tod und Elend in Ländern wie Niger, Burkina Faso, Tschad und Mali.

Richtig ist: In etlichen Konflikten in Afrika ist die AU unfähig oder unwillig, etwas zu tun. Auch in Libyen tut sie sich schwer: Zum einen kreiden ihr viele Libyer an, sie habe bis zu dessen Sturz dem Diktator Gaddafi nahegestanden. Zum anderen hat sich Ägyptens Präsident as-Sisi auf die Seite von General Haftar geschlagen, der die von den Vereinten Nationen anerkannte libysche Regierung bekämpft. As-Sisi ist noch bis Februar Präsident der AU – und er ist dagegen, dass sie eine größere Rolle in Libyen spielt.

Und doch hat sich die Afrikanische Union von Beginn an um eine friedliche Lösung des Konflikts bemüht – und zwar noch bevor Gaddafi gestürzt und getötet wurde. Doch wurde sie mit ihren Initiativen immer wieder an den Rand gedrängt – ganz zu Anfang im Jahr 2011, als die Nato eigenmächtig in Libyen intervenierte, und zuletzt im Oktober des vergangenen Jahres, als sie vorschlug, einen gemeinsamen AU-UN-Sonderbeauftragten für das Krisenland einzusetzen. Der Vorschlag wurde im UN-Sicherheitsrat nicht einmal offiziell diskutiert.

Die Konferenz zeigt, wie kurzsichtig Europa auch dieses Mal wieder vorgeht

Die Afrikanische Union hat in den vergangenen Jahren vor allem versucht, die verschiedenen ethnischen Gruppen sowie zivilgesellschaftliche Kräfte in Libyen an einen Tisch zu bringen. Sie hat kommen sehen, was passiert, wenn erst einmal ausländische Mächte wie Europa, Russland, die Türkei und etliche arabische Staaten sich in den Konflikt einmischen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Fachleute des südafrikanischen Institute for Security Studies sagen deshalb: Wenn es jemanden gibt, der glaubhaft eine neutrale, an Frieden und Stabilität vermittelnde Position in Libyen einnehmen kann, dann ist es die Afrikanische Union.

Nach der Konferenz in Berlin war oft der Stoßseufzer zu vernehmen, endlich tue Europa etwas gegen das Sicherheitsrisiko in unmittelbarer Nachbarschaft und schaue nicht mehr nur passiv zu. Ja, das ist ein Fortschritt. Aber zugleich zeigt die Konferenz, wie kurzsichtig Europa auch dieses Mal wieder vorgeht. Während die Afrikanische Union in der Libyen-Politik nur von der Seite aus mitmachen darf, diskutieren Berlin und Paris seit Wochen darüber, weitere Soldaten in die Sahel-Länder zu schicken – als würde das helfen, die Krisen dort einzudämmen, die vom Chaos in Libyen immer wieder angefacht werden. In Libyen und im Sahel handelt Europa wie so oft kurzfristig und aktionistisch. Längst überfällig ist eine langfristige Strategie, die die gesamte Region in den Blick nimmt – zusammen mit Afrika als echtem Partner. 

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Die Afrikaner werden weiter von der"ersten Welt" betrogen

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