Einen auf den ersten Blick befremdlichen Rat gibt die Crisisgroup in einer Studie zum Niger: Europa solle das Sahelland nicht drängen, den Schmuggel von Drogen und Gold sowie das Schleusen von Migranten zu bekämpfen. Stattdessen solle man die Regierung darin unterstützen, Kompromisse mit Schmugglergruppen zu schließen und die Verständigung unter diesen zu fördern. Denn mit diesem Rezept sei es im Niger gelungen, größere Gewaltausbrüche zu verhindern – trotz der Kämpfe in den Nachbarländern.
Im Sahel, so die Studie, sind Schmuggel und der Transport von Arbeitsmigranten verbreitet und bieten Menschen in Randgebieten Chancen, Geld zu verdienen. Das sei, zum Beispiel beim Benzinschmuggel, nicht automatisch ein Sicherheitsproblem. Allerdings hätten sich auch im Nordniger zeitweise Schmuggler und Schleuser von Banditen schützen lassen oder mit Rebellen verbündet. Zudem sei Gewalt immer ein mögliches Mittel, Schmugglerwege zu kontrollieren und Konkurrenz fern zu halten – besonders beim Drogenhandel.
Dass der Niger auf Drängen der Europäischen Union 2016 das Schleusen von Migranten stark eingeschränkt hat, hat laut der Studie die Konkurrenz verschärft und das Gewaltpotenzial angeheizt. Zum Glück hätten zugleich Goldfunde in der Wüste vielen Verlierern eine neue Einkommensquelle eröffnet. Als sich kleine Schürfer und lokale Machthaber um die Kontrolle darüber stritten, hätten lokale Eliten der Tuareg ein Arrangement gefunden, mit dem alle leben können.
Der Frieden ist prekär, Spannungen wachsen
Politische Dezentralisierung ermöglicht laut der Crisisgroup die Einhegung der Gewalt im Niger: Der Zentralstaat verständigt sich mit Eliten in kaum erschlossenen Randgebieten des Nordens, auch mit Herren illegaler Geschäfte. Das funktioniere besonders gegenüber den Tuareg und habe das Übergreifen der Tuareg-Rebellion aus Mali verhindert. Lokale Behörden und Eliten organisierten zuweilen sogar Dialoge zwischen rivalisierenden Schmugglergruppen. So werde Gewalt in Gegenden minimiert, in denen der Staat kaum Kontrolle hat.
Laut der Studie ist dieser Frieden prekär; insbesondere im Gebiet der Tubu wüchsen die Spannungen. Doch gegen die illegale Wirtschaft vorzugehen, werde nur zu mehr Gewalt und Unsicherheit führen. Die EU sei gut beraten, nicht das heikle Gleichgewicht der Kräfte zu gefährden. Insbesondere solle sie den Kampf gegen den Terrorismus nicht auf den gegen Schmuggler ausweiten.
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