Herr Hilbig, mit dem Bezahldienst M-Pesa kann man in Kenia über das Handy Geld an andere überweisen und Rechnungen bezahlen. Das wird oft als Beispiel angeführt, wie die Digitalisierung zur Reduzierung von Armut beitragen kann. Sie zweifeln daran. Warum?
M-Pesa ist insofern eine Erfolgsgeschichte, als es sich stark verbreitet hat. In Kenia nutzen 27 Millionen den Dienst. Aber laut einer internen Evaluierung des britischen Entwicklungsministeriums DFID, das M-Pesa finanziell und mit Lobbyarbeit gefördert hat, hat der Dienst keine armutsmindernde Wirkung: Die Mehrzahl der Nutzer lebt oberhalb der Armutsschwelle. Ein zweiter Grund für meine Skepsis ist, dass zu wenig berücksichtigt wird, wer tatsächlich von M-Pesa profitiert.
Wer profitiert davon?
Zum einen natürlich die Telefongesellschaft Safaricom, die den Dienst betreibt. Und das britische Unternehmen Vodafone, das mit 40 Prozent beteiligt ist. Bei den mobilen Bezahldiensten beherrschen wenige Firmen den Markt: Auf M-Pesa entfallen 95 Prozent Marktanteil in Kenia. Aufgrund dieser Monopolstellung können sie Preise diktieren und so hohe Gebühren verlangen.
Es gibt aber Studien, die Hinweise geben, wie M-Pesa armen Menschen hilft. Etwa dadurch, dass die bessergestellte Tante in der Stadt dem armen Neffen auf dem Land Geld schicken kann, was vor M-Pesa nicht möglich war.
Diese Studien weisen jedoch nicht darauf hin, dass auf jede Überweisung mit M-Pesa bis zu elf Prozent Gebühren entfallen, bei Überweisungen auf andere mobile Geldtransferdienste betragen die Gebühren sogar bis zu 45 Prozent. Wie sollen Arme sich das leisten?
Das heißt, M-Pesa könnte nützlich sein, es sollte nur billiger werden, etwa durch mehr Konkurrenz?
Ja, das wäre sinnvoll, ist aber nicht einfach. Die Digitalisierung ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass die großen Technologie-Konzerne Monopole aufbauen. Sie sind oft der einzige Anbieter einer bestimmten Dienstleistung; oder sie erschweren den Kunden einen Wechsel zu anderen Anbietern. Hinter M-Pesa steckt im Grunde das gleiche Geschäftsmodell wie bei Facebook oder Google. Wir müssen da kritischer hinschauen.
Welche weiteren Risiken bergen mobile Bezahldienste?
Sie erschweren zudem die Durchsetzung entwicklungspolitischer Ziele wie eine kostenlose Schulbildung, das eines der UN-Nachhaltigkeitsziele ist. Die Weltbank hat ein Netzwerk aus Finanzdienstleistern, Stiftungen und Unternehmen aufgebaut, das zum Ziel hat, dass Eltern die Schulgebühren für ihre Kinder über das Handy zahlen können. In der Côte d'Ivoire erstattet das Bildungsministerium den Telekomunternehmen die für die Überweisungen der Eltern fälligen Gebühren. Das soll jetzt auf andere Länder Afrikas übertragen werden. Anstatt dafür Sorge zu tragen, dass bis zum Jahr 2030 Kindern kostenlose Schulbildung angeboten wird, verfestigen die mobile Bezahldienste den bestehenden Missstand.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
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