Der 48-jährige Tveit ist ordinierter Pfarrer der Kirche von Norwegen und seit 2002 Generalsekretär des Rats der Norwegischen Kirche für ökumenische und internationale Beziehungen. Der promovierte Theologe wird der jüngste Generalsekretär seit Willem A. Visser’t Hooft sein, der während der Aufbaujahre und bei der Gründungsvollversammlung vor 61 Jahren an der Spitze des ÖRK stand. Für das höchste Amt im Rat hatte außerdem der presbyterianische Theologe Park Seong-won aus Südkorea kandidiert.
Nach seiner Wahl nannte Tveit vier Schwerpunkte für die künftige Arbeit des ÖRK. Neben der weltweiten Solidarität unter Christen gehörten dazu die Beziehungen zwischen den Religionen, insbesondere zum Islam. Außerdem mahnte Tveit einen weiteren ökumenischen Horizont an, vor allem in Hinblick auf die Pfingstkirchen und die evangelikalen und charismatischen Gruppen. Auch der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, nannte den Dialog mit der Pfingstbewegung eine zentrale Herausforderung für den ÖRK. Dieser Dialog müsse geführt werden, auch wenn dies zu neuen Konflikten führe, sagte Schindehütte dem Evangelischen Pressedienst (epd). Tveit sagte, ein weiterer Schwerpunkt seien Fragen der Gerechtigkeit. So seien zum Beispiel die Auswirkungen des Klimawandels inzwischen vielen Menschen bekannt. Es mache aber einen großen Unterschied, die Stimmen derer zu hören, die heute bereits die Auswirkungen des Klimawandels erlebten. Hier böten die Kirchen einen „einzigartigen Mehrwert“. Denn sie schüfen Räume, in denen die bedrückende Wirklichkeit des Klimawandels miteinander besprochen werden könne.
Neben der Wahl des Generalsekretärs stand auch der Haushalt 2010 auf der Tagesordnung des Zentralausschusses. Angesichts sinkender Beiträge der Mitgliedskirchen sowie Rückgängen bei den Spendeneinnahmen verweigerte das Gremium allerdings seine Zustimmung zum Haushaltsentwurf, der gegenwärtig ein Volumen von rund 35,5 Millionen Schweizer Franken (23,5 Millionen Euro) hat. „Wir erwarten ein weiteres Absinken der Beiträge in der zweiten Hälfte des Jahres 2009“, sagte Anders Gadegaard, der Vorsitzende des ÖRK-Finanzausschusses. Auch 2010 müsse mit weiteren Einnahmeausfällen von fünf bis zehn Prozent gerechnet werden.
Bereits 2008 waren die Mitgliedsbeiträge von 6,6 Millionen um acht Prozent auf 6,1 Millionen Schweizer Franken gefallen; die Zahl der Kirchen, die Beiträge leisteten, schrumpfte von 232 auf 187. Tveit regte laut einem epd-Bericht an, auch Regierungen und Stiftungen als Geldgeber für den ÖRK in Betracht zu ziehen. Der Rat müsse aber strikt auf seine Unabhängigkeit achten.
Der scheidende Generalsekretär Sam Kobia erklärte, die angespannte Haushaltslage könne nicht ohne Folgen für die laufenden Programme bleiben. Die Anzahl der Projekte solle reduziert werden, und die Mitarbeiter in der Genfer Zentrale müssten verstärkt abteilungsübergreifend arbeiten. Der Zentralausschuss empfahl dem Rat, in seiner Arbeit Schwerpunkte zu setzen und nicht pauschal alle Tätigkeiten zu reduzieren.
Enttäuscht äußerten sich drei ÖRK-Präsidentinnen darüber, dass keine Frauen mehr Mitglied im Führungsstab des Rats sind. „Damit sind wir von dem gemeinsamen Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im ÖRK abgerückt“, sagte die ÖRK-Europapräsidentin Mary Tanner aus England dem Nachrichtendienst Ecumenical News International. Ab Oktober sind sämtliche Führungsposten der ÖRK-Programme und der übergeordneten Managementebene mit Männern besetzt. Kobia bedauerte, dass er in seiner Amtszeit keine geschlechterspezifische und regionale Ausgewogenheit der Belegschaft erreicht habe. Dies sei teilweise auf den Einstellungsstopp der letzten zwei Jahre zurückzuführen.
Der Zentralausschuss ist das höchste Leitungsgremium des ÖRK zwischen seinen Vollversammlungen, er kommt alle 12 bis 18 Monate zusammen. Dem Weltkirchenrat gehören 349 anglikanische, orthodoxe und protestantische Kirchen an, die zusammen mehr als 560 Millionen Christen in über 110 Ländern repräsentieren. Die nächste Vollversammlung des ÖRK ist für 2013 in der Stadt Busan in Südkorea geplant.