Laut einer neuen Studie der Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA) kann keine Rede davon sein, dass sich Afrikas Landwirtschaft in einer Krise befindet – im Gegenteil: Aus Sicht der Autoren können die Bauern und Bäuerinnen südlich der Sahara stolz auf sich sein, denn sie befinden sich auf dem richtigen Weg in Richtung kommerzieller Landwirtschaft und weg von der Produktion bloß für den Eigenbedarf. So habe sich die Menge der Lebensmittel, die vom Land in die afrikanischen Städte transportiert und dort verkauft wird, in nur dreißig Jahren verachtfacht. 80 Prozent der heute in Afrika produzierten Agrargüter werden laut der Studie verkauft – und zwar fast vollständig in Afrika –, nur die verbleibenden 20 Prozent sind für den Eigenbedarf.
Einheimische "versteckte Mitte" fördert Entwicklung
Maßgeblich für diese Entwicklung sind für die Autoren Unternehmen, die etwa die Verarbeitung und den Transport der Lebensmittel übernehmen und die Schnittstelle zwischen Bauern und Konsumenten bilden; laut der Studie ist die Zahl solcher Firmen in Afrika in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gewachsen. Die Autoren sprechen trotzdem von der „versteckten Mitte“ (hidden middle), weil sie oft nicht wahrgenommen würden – weder in der Fachdebatte zur Landwirtschaft noch in der Politik von Regierungen und Gebern. Wenn in der Diskussion oder der Politik von einer Kommerzialisierung die Rede sei, dann werde häufig nur an große ausländische Agrarkonzerne gedacht, nicht an diese einheimische „versteckte Mitte“.
Die Empfehlungen sind aus Sicht der AGRA folgerichtig: Die von afrikanischen Unternehmen vorangetriebene Kommerzialisierung kleinbäuerlicher Landwirtschaft sollte unbedingt gefördert werden. Folgerichtig ist das deshalb, weil das genau dem Programm der AGRA entspricht: eine grüne Revolution in Afrika zu unterstützen, die auf standardisiertes Saatgut, den verstärkten Einsatz von Agrarchemie und eben auf die Einbindung von Bauern in Wertschöpfungsketten setzt.
Skepsis kommt zu kurz
Dass dieser Weg am Ende auch zu zunehmend einseitiger Ernährung, mehr Fertigprodukten und zu höherem Fleischkonsum führt, wird in der Studie zwar angesprochen, aber nicht weiter bewertet. Das ist einerseits erfreulich konträr zu den häufigen Ermahnungen aus der reichen, satten Welt, in welche Richtung die afrikanische Landwirtschaft sich zu entwickeln habe, andererseits wäre etwas mehr Skepsis durchaus angebracht. So erwähnt die Studie einen „spektakulären Anstieg“ der Futtermittelproduktion in Nigeria um 600 Prozent in nur zehn Jahren, fragt aber nicht, ob das eine wirklich vernünftige Entwicklung ist. (ell)
Neuen Kommentar hinzufügen