Herr Hilpert, Ihr Dokumentarfilm „Congo Calling“ begleitet drei Europäer, die in Goma leben und arbeiten. Was hat Sie daran gereizt?
Ich hatte mit dem Thema Hilfe oder überhaupt mit Afrika vorher wenig zu tun. Raúl, einen der Protagonisten des Films, kenne ich aus dem Studium. Für seine Doktorarbeit hat er Rebellengruppen im Kongo erforscht. Er hat mir immer wieder erzählt, wie der Ort für ihn ist und wie er dort mit seiner eigenen Rolle als Arbeitgeber kämpft. Das fand ich interessant und wollte mir das angucken. Als ich zur Recherche in Goma war, fand ich die Situation der westlichen Mitarbeiter und Helfer von Hilfsorganisationen wahnsinnig spannend.
Inwiefern?
Überall sieht man Helfer in ihren weißen Jeeps rumfahren, die großen Gebäude der Hilfsorganisation stehen an jeder Straßenecke. Ich habe viele Europäer kennengelernt, denen es ein großes Anliegen ist, auf Augenhöhe mit der lokalen Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Aber das ist sehr kompliziert.
Warum?
Das Machtgefälle ist riesig. Ein Beispiel aus dem Film: Raúl ist es ein großes Anliegen, mit seinen kongolesischen Forscherkollegen fair und auf Augenhöhe umzugehen. Sie sind alle befreundet und haben schon für seine Doktorarbeit mit ihm zusammengearbeitet. Trotzdem ist er es, der die Forschungsgelder aus dem Ausland mitbringt, er ist der Arbeitgeber und Chef – und am Ende muss er das Projekt abliefern. Das bringt Spannungen mit sich. Der Film zeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika sich ganz konkret in zwischenmenschlichen Beziehungen widerspiegelt.
Ist „Congo Calling“ ein Film über den Sinn und Unsinn dieser Zusammenarbeit?
Ich habe viele Leute kennengelernt, die mit großer Energie daran arbeiten, die Situation im Land zu verbessern. Es ging mir nicht darum zu zeigen, dass die Zusammenarbeit per se schlecht oder gut ist. Mich interessiert die persönliche Seite und mit welchen Fragen die Europäer dort zu kämpfen haben. Trotzdem hoffe ich, dass der Film bei den Zuschauern auch die großen Fragen nach Sinn und Bedeutung von Entwicklungshilfe aufwirft und sie sich darüber Gedanken machen. Ein klares politisches Urteil in die eine oder andere Richtung will ich mir nicht anmaßen.
Sie waren über einen Zeitraum von zwei Jahren immer wieder zum Drehen in Goma. Haben Sie als Filmemacher vom Machtgefälle zwischen Europäern und Einheimischen profitiert?
Wir waren sehr schnell in ähnlichen Situationen wie die Mitarbeiter von westlichen Hilfsorganisationen. In Deutschland war ich der arme Filmstudent ohne Geld – in Goma stehen wir mit unseren Riesenkameras auf der Straße und sind für dortige Maßstäbe reich. Über unsere Protagonisten sind wir schnell in die Welt ihrer kongolesischen Kollegen und Freunde eingetaucht. Mich hat beeindruckt, mit welcher Herzlichkeit und Offenheit wir aufgenommen wurden. Trotzdem habe ich mich in manchen Situationen gefragt, ob sich die Leute vielleicht verpflichtet fühlen, uns zu unterstützen, weil wir mit ihrem europäischen Arbeitgeber unterwegs sind. Es ist extrem schwer das einzuschätzen.
Im Ostkongo gibt es zahlreiche bewaffnete Rebellenmilizen, immer wieder kommt es zu Gefechten. Hat das die Dreharbeiten erschwert?
Was die Sicherheitslage angeht, ist es natürlich was anderes, als in Deutschland zu drehen. Als unbedarfter Filmstudent musste ich mich daran erstmal gewöhnen. Aber wir waren meistens in Goma, dort ist es im Vergleich zum Umland relativ sicher. Außerdem waren wir fast die ganze Zeit mit unseren Protagonisten und ihren Freunden und Kollegen unterwegs; die konnten die Situation gut einschätzen. Wirklich unsicher haben wir uns selten gefühlt.
Sie haben Raúl zu Gesprächen mit Rebellen in der Provinz Nord-Kivu begleitet. Einer der Rebellen sagt, einen Menschen zu töten, sei für ihn dasselbe, wie ein Huhn zu schlachten. Er erzählt außerdem, wie er die Leber und Herz von getöteten Gegnern verspeist. Wurde Ihnen da mulmig?
Ja klar. Gerade das erste Mal, als ich bei einem solchen Gespräch dabei war, ist mir irgendwann das Herz in die Hose gerutscht. Aber es war ja nicht so, dass die Rebellen Raúl oder uns direkt bedroht haben.
Das Gespräch führte Moritz Elliesen.
Weiß, weiß, weiß
Wieder ein Beitrag, der die Perspektive der Europäer*innen in den Mittelpunkt stellt, aus der heraus Zustände des globalen Südens kommentiert und bewertet werden? Wo sind die Filme, die Wert darauflegen, der anderen Seite Stimmen zu geben und die Möglichkeit, die zwischenmenschliche Ebene zu bewerten?
Der Trailer beginnt mit einem weißen Mann, der afrikanische Kinder mit Bananen füttert! Vielleicht habe ich einen falschen Eindruck - ich habe den Film nicht gesehen - aber in dem Interview kommt es mir leider sehr falsch vor.
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