Warum ist es so schwer, die Ebola-Epidemie im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu stoppen?
Das ist aus drei Gründen sehr kompliziert. Erstens wegen Sicherheitsproblemen: Im Ostkongo gibt es zahlreiche bewaffnete Gruppen, selbst Ebola-Einsatzkräfte werden angegriffen. Zweitens ist eine große Zahl von Menschen in Bewegung, statt an ihrem Heimatort zu bleiben – nicht zuletzt als Folge des Bürgerkrieges. Das trägt dazu bei, die Krankheit noch weiter zu verbreiten. Der wichtigste Grund ist aber drittens, dass die Gemeinschaften den Ebola-Einsatzkräften Widerstand leisten. Das gab es auch in Westafrika 2014, aber damals gab es keine Sicherheitsprobleme und weniger Mobilität.
Müsste es nicht einfacher sein als damals, diese Epidemie einzudämmen, weil es jetzt einen Impfstoff gibt?
Ganz richtig. Ich bin vor rund drei Wochen aus dem Osten der DR Kongo zurückgekommen. Die Fachleute dort waren sich einig, dass Impfstoffe und auch neue Medikamente für die Behandlung von Erkrankten die Bekämpfung stark erleichtern sollten. Aber das hat eine Kehrseite: Man konzentriert sich nun viel zu sehr auf das Impfen und auf die Gabe von Medikamenten und vernachlässigt es, Gemeinschaften an der Basis einzubinden. Doch egal wie gut eine Impfung ist, die Menschen müssen sie wollen und müssen Vertrauen zu den Medizinern haben. Sie zu beteiligen und ihren Widerstand aufzulösen, ist das Entscheidende.
Neue Medikamente können helfen, Ebola zu überleben?
Ja. Drei Medikamente für eine Ebola-Therapie werden zurzeit erprobt. Das Ergebnis ist noch nicht klar, aber sie scheinen eine gewisse Wirkung zu haben. Doch egal wie gut sie wirken – man kann Erkrankte nur damit retten, wenn sie in einem frühen Stadium in die Behandlungszentren kommen. Außerdem müssen sie alle nennen, mit denen sie Kontakt hatten, und die müssen geimpft werden, damit das Virus sich nicht weiterverbreitet. Das alles passiert nur, wenn die Leute den Hilfskräften vertrauen.
Wie haben Sie 2014 in Liberia den Widerstand gegen Ebola-Einsatzkräfte überwinden können?
Unsere wichtigste Strategie war, sowohl lokale Amtsträger als auch informelle Führungspersonen zu beteiligen, denen die Gemeinschaften vertrauten. Außerdem haben wir beachtet, was wir die Ebola-Ökonomie nennen: Wir haben dafür gesorgt, dass ein Teil des Geldes für die Bekämpfung der Krankheit in die Taschen der Einheimischen floss, die dabei halfen. Auf dem Höhepunkt der Epidemie haben wir in Liberia monatliche Gehälter an über 5700 lokale Community Worker gezahlt, damit sie Infektionswege ausfindig machten. Im Kongo habe ich aber gehört, dass das meiste Geld zur Ebola-Bekämpfung für internationale Helfer, Jeeps und ähnliches ausgegeben wird und nur wenig an lokale Gemeinschaften geht. Vernünftig wäre außerdem, zum Beispiel Brunnen zu bohren und so auch etwas gegen die wirtschaftliche Not zu tun. Viele Ortschaften im Ostkongo haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, aber die Helfer sagen den Leuten, sie sollten ihre Hände gründlich waschen.
Der größte Ausbruch seit 2014
Die Ebola-Epidemie im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist die größte seit der in Westafrika 2014. Ihr Zentrum sind die Provinzen Ituri und Nord-Kivu im Grenzgebiet zu Uganda und Ruanda. Über 1800 Menschen sind ...
Wer kann im Osten des Kongo helfen, Vertrauen zu bilden?
Ich habe dort mit lokalen Ebola-Aktivisten gesprochen und viele haben gesagt: Wir sollten die Bekämpfung der Seuche anführen. Auf die Leute am Ort sollten wir setzen, zum Beispiel auf Marktfrauen und ihre Kinder. Ein Professor an der Uni Goma, der vier Angehörige verloren hat, hat erklärt: Ich habe Studierende aus einer betroffenen Region, die kann ich zu ihren Eltern schicken, damit sie über Ebola sprechen. Wenn die Menschen ihre Söhne und Töchter oder ihre respektierten Führer hören, wirkt das – auch wenn es die Epidemie natürlich nicht von heute auf morgen beendet. Ich bin auch gefragt worden: Mosoka, wenn du ein Rebell wärest und in der Ebola-Bekämpfung angestellt werden könntest, so dass deine Kinder zur Schule gehen können – würdest du dann die Helfer angreifen und das aufs Spiel setzen?
Der Präsident des deutschen Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hat Ende Juli gefordert, Mediziner im Kongo von bewaffneten Kräften schützen zu lassen. Was halten Sie davon?
Das ist eine extreme Ansicht. Nun herrscht im Ostkongo auch eine besondere Situation: Dort gibt es aus dem Ausland kommende bewaffnete Verbände wie die ADF, vor denen die Bevölkerung geschützt werden muss.
Kann man damit Sicherheitskräfte der DR Kongo betrauen, denen selbst Übergriffe auf die Bevölkerung vorgeworfen werden?
Das ist ein kompliziertes Problem, im Ostkongo herrscht seit langem Krieg. Vielleicht kann eine robuste internationale Truppe Pufferzonen und Korridore schaffen, um die Bevölkerung zum Beispiel vor der ADF zu schützen. Aber das ist etwas ganz anderes, als Bewaffnete einzusetzen, um lokalen Widerstand gegen Ebola-Helfer zu brechen. Das hat sich in Liberia als nicht klug erwiesen. Dort hat man, als in Westpoint ein Ebola-Zentrum verwüstet worden war, das Militär geschickt. Im Endeffekt sind Leute gestorben und es gab Aufruhr. Die Ebola-Bekämpfung vor Ort zu militarisieren, führt zu mehr Gewalt und macht es noch schwieriger, Vertrauen zu schaffen.
Wie sollten Ebola-Einsatzkräfte mit den zahlreichen bewaffneten Milizen umgehen?
Ich schlage vor, Wege zu suchen, mit Rebellen einen Waffenstillstand bis zum Ende der Epidemie auszuhandeln. Dazu ist wahrscheinlich Hilfe von außen nötig. Ebola ist jetzt, wo es die Großstadt Goma erreicht hat, eine internationale Bedrohung. Jede Rebellengruppe hat irgendwelche ausländischen Unterstützer. Man sollte die finden und mit ihrer Beteiligung einen Waffenstillstand für 60 bis 90 Tage aushandeln, um die Epidemie in den Griff zu bekommen.
Sollte man auch Milizenführer, ähnlich wie lokale Führer, in den Kampf gegen Ebola einbinden?
Ja, dafür trete ich ein. Das ist ein radikaler Vorschlag, aber wo sie großen Einfluss haben, sollte man die Kommandanten von Milizen als Führer ansprechen. In Liberia musste ich 2014 im Kampf gegen Ebola auch mit Gangstern verhandeln, mit Kriminellen. Denn sie konnten die Leute in ihrem Gebiet erreichen und Maßnahmen gegen Ebola anleiten, und das war in der Situation vordringlich.
Haben die Gangster auf Sie gehört und sich beteiligt?
Sie haben Bedingungen gestellt. Erstens waren sie drogensüchtig und haben die Garantie verlangt, dass sie für 21 Tage mit Drogen versorgt würden. Zweitens haben sie verlangt, dass in dieser Zeit keine Polizei kommen und es keine Festnahmen geben sollte. Für beides haben wir gesorgt. Das war natürlich ethisch sehr problematisch, aber für das Wohl des ganzen Landes und weil die Epidemie eine internationale Bedrohung war, mussten wir das in dem Moment tun.
Was war die Gegenleistung?
Die Gangster haben uns die Kontakte von allen gegeben, die mit ihnen in Verbindung standen, so dass wir alle anrufen und die Wege der Infektion nachvollziehen konnten. Sie haben mit ihren Familien über die Epidemie gesprochen. Und sie haben zugestimmt, dass sie die 21 Tage unter Quarantäne gestellt wurden – nach dieser Frist ist sicher, dass man kein Ansteckungsrisiko mehr darstellt. Nach der Quarantäne haben wir sie zurück zu ihren Familien gebracht und ihnen Nahrung und Kleider gegeben.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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