Autorin
Diana Jeater
ist Forschungsstipendiatin am African Studies Centre der Oxford-Universität.Andere sehen die Wahlen als Endspiel in einem mehr als zehn Jahre dauernden Kampf zwischen Mugabes nationalistischer Partei Zanu-PF und der neoliberalen Bewegung für einen demokratischen Wandel (Movement for Democratic Change – MDC), die in drei Fraktionen geteilt ist – die größte wird von
Tsvangirai geführt. Letztlich werde damit über Simbabwes Politik und seinen Platz in der Welt entschieden. Zwei Dinge sind allerdings gewiss: Zum einen legt das Allgemeine Politische Abkommen (Global Political Agreement – GPA) zwischen den Koalitionspartnern vom September 2008 fest, dass die Wahlen bis spätestens Ende 2013 abgehalten werden müssen. Zum anderen herrscht innerhalb der Zanu-PF ein heftiger Disput darüber, wer dem kränkelnden Führer Mugabe folgen wird.
Der lange Machtkampf in Simbabwe
Robert Mugabe ist in Simbabwe seit 1980 an der Macht. In den ersten Wahlen nach der Unabhängigkeit des Landes, die die von ihm angeführte Befreiungsbewegung maßgeblich mit erkämpft hatte, ...
Das GPA enthält einen Zeitplan für Vorhaben, die vor den nächsten Wahlen verwirklicht sein müssten. Er wurde deutlich überschritten und fast keine der Maßnahmen ist bislang wirklich umgesetzt. Dazu gehören: das Ende der Sanktionen, welche die Europäische Union und die USA gegen die Mitglieder der simbabwischen Elite, die am meisten mit Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Verbindung gebracht werden, verhängt haben; die Liberalisierung der Medien; die Aufhebung repressiver Gesetze, die die Arbeit von Hilfsorganisationen, Medien und der Zivilgesellschaft behindern; sowie eine Landreform. Zwar etabliert sich allmählich eine unabhängige Presse, doch sonst ist nicht viel davon geschehen.
Das Abkommen sieht ferner einen Prozess zum Entwurf einer „volksnahen“ Verfassung vor. Ein Referendum darüber sollte folgen und dann Wahlen auf dieser Grundlage. Dieser „Wahlfahrplan“ hätte Ende 2011 erfüllt sein sollen und darf nicht über 2013 hinaus verzögert werden. Sonst droht eine Verfassungskrise, weil dann die fünfjährige Legislaturperiode beendet ist. Der „Fahrplan“ wird von der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (Southern African Development Community – SADC) unter Führung Südafrikas überwacht. Doch es gab wiederholt Verzögerungen und die ungeliebte Regierung der Nationalen Einheit ist noch immer im Amt.
Die Staatschefs der Region sind nach zehn Jahren Chaos aufgrund Simbabwes Krise an einer dauerhaften Lösung interessiert. Das Vermittlerteam der SADC hat wiederholt betont, dass das GPA vollständig umgesetzt werden müsse. Gleichzeitig kamen allerdings Zweifel an Südafrikas Rolle auf, nachdem die dortige Regierungspartei ANC angekündigt hatte, sie sei bereit, die Zanu-PF bei den Wahlen zu unterstützen.
Die Beratungen auf nationaler Ebene zum Referendum sind abgeschlossen – begleitet von Klagen über Repressionen und Einschüchterungsversuchen von Seiten der Zanu-PF, im Township Mbare von Harare gab es einen Toten. Das für den Verfassungsentwurf zuständige Team erklärte, es sei mit der Arbeit fast fertig. Einige Vorschläge, die zu den staatlichen Medien durchgesickert waren, stießen aber bereits auf heftige Kritik der Zanu-PF. Das Team treibe das „Programm der MDC-T (Tsvangirai)“ voran, lautete der Vorwurf. Und weiter: „Die Verfasser folgen nicht der Meinung des Volkes, sie schreiben, was sie denken.
Sie benutzen die Verfassung anderer Länder als Leitlinie und das untergräbt die gesamte Aufgabe.“ Damit ist es eher unwahrscheinlich, dass das Verfassungsreferendum zügig vorankommt, trotz der Sorge der Zanu-PF um möglichst frühzeitige Wahlen.
Die Zanu-PF ist unter anderem auf frühe Wahlen erpicht, weil der 87-jährige Robert Mugabe immer kränker und hinfälliger wird. Sein Tod würde die Partei ins Chaos stürzen. Auf dem jüngsten Parteitag, der im Dezember in Bulawayo stattfand, hat sie bekräftigt, dass sie mit Mugabe als Führer in die Wahlen ziehen will. Sie hofft darauf, zu gewinnen und fünf weitere Jahre an der Macht zu bleiben. Dann könnte sie die Frage von Mugabes Nachfolge ohne Belastung durch die Regierung der Nationalen Einheit klären.
Laut Enthüllungen von Wikileaks im vergangenen Jahr ist die Zanu-PF von Fraktionskämpfen über die Mugabe-Nachfolge zerrissen. Jeder will ihn gehen sehen, doch niemand ist scharf darauf, dass er zurücktritt oder stirbt, bevor die eigene Position gesichert ist. Selbst seine engsten Verbündeten haben sich in Gesprächen mit dem US-Botschafter für seine Absetzung eingesetzt. Die Tatsache, dass Mugabe gegen keine der genannten Personen vorgegangen ist, wurde von verschiedenen Seiten als ein Zeichen von Schwäche und als eine implizite Gefahr interpretiert: ein Damoklesschwert.
Diese Interpretation erhielt nach dem mysteriösen Tod von Solomon Mujuru, einem Helden des Befreiungskampfes, im vergangenen August weitere Nahrung. Laut Wikileaks war Mujuru dabei, ein Bündnis von Vertretern aus MDC und Zanu-PF zu schmieden, um Mugabe den Abgang zu erleichtern. Nach anderen Gerüchten hat er Mugabe privat geraten, zurückzutreten. Wenige Tage später starb er bei einem Feuer in seinem Haus. Die Medien vermuteten dahinter einen Mord. Sie stellten die Frage, warum sein Körper so vollkommen verbrannt war. Warum hat sich Mujuru nicht durch die leicht zugänglichen Schlafzimmerfenster gerettet? Warum verschwanden wenige Tage vor dem Brand Schlüssel zu dem Haus und warum wurde Mujuru nahe der verschlossenen Tür gefunden? Warum war sein Wagen mit offener Fahrertür und steckendem Zündschlüssel vor der verschlossenen Türe geparkt? Warum hat die Polizei die Ergebnisse ihrer Ermittlungen noch nicht herausgegeben? Auf all diese Fragen gab es plausible Antworten, doch das gegen den Polizeibericht verhängte Sperre lässt nur wenige Menschen an einen „tragischen Unfall“ glauben.
Unterdessen soll die Zanu-PF auf Provinzebene wegen des Postengerangels in erbitterte Flügelkämpfe verwickelt sein. Der Kommandant der Streitkräfte, General Constantine Chiwenga, soll der kommende Star sein und sowohl Mugabe als auch das Militär manipulieren, um seine Position zu stärken. Gerüchten zufolge hat Chiwenga sogar Mugabes Reden umgeschrieben und innerhalb des öffentlichen Dienstes parallele Befehlsstrukturen etabliert. Zweifellos hat das Militär bereits seit Jahren die Staatsverwaltung infiltriert. Doch es ist umstritten, ob das ein schleichender Staatsstreich ist oder nur eine pragmatische Antwort auf die Wirtschaftskrise und den Zusammenbruch der staatlichen Infrastruktur.
Gegen Chiwenga positioniert haben sich die Mujuru-Fraktion sowie ein von dem langjährigen Mugabe-Mitstreiter, Verteidigungsminister Emmerson Mnangagwa, angeführter Flügel. Mnangagwa soll hinter der Operation „Gukurahundi“ in den 1980er Jahren gestanden haben, bei der Sondereinheiten der Armee in einer Anti-Terror-Operation Tausende von Bürgerinnen und Bürgern in Distrikten, die für die damalige Partei Zapu (Zimbabwe African People’s Union) gestimmt hatten, massakrierten. Alle drei politischen Fraktionen unterhalten enge Verbindungen zu Kreisen innerhalb der Armee. Frühe Wahlen mit einem noch am Ruder sitzenden Mugabe sind für die Zanu-PF weniger beängstigend, als wenn sie mitten in einem auf seinen Tod oder erzwungenen Rücktritt folgenden Kampf zwischen den Fraktionen stattfänden.
Die Oppositionsparteien konnten sich von den Auseinandersetzungen innerhalb der Zanu-PF keinen Vorteil verschaffen. Sie haben zwar in ihren Ministerien einen guten Job gemacht. Doch sie haben die Öffentlichkeit mit eigenen Fraktionskämpfen und schwachen ethischen Prinzipien verschreckt. Alle MDC-Ministerien sehen sich einem ständigen Ansturm von Pressevorwürfen wegen Korruption, Verschwörung und dubiosen Geschäften gegenüber. Die Staatsanwaltschaft verfolgt sie mit mehr Eifer, als sie es bei ähnlichen Anklagen gegen Minister der Zanu-PF getan hat. Einiges von diesem Morast hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung festgesetzt, nicht zuletzt, weil an einigen Vorwürfen etwas Wahres dran ist.
Doch die Oppositionsparteien drücken noch andere, völlig hausgemachte Probleme. Es gibt gegenwärtig drei MDC-Fraktionen: die ursprüngliche MDC, die immer noch unter Führung von Morgan Tsvangirai steht und sich MDC-T nennt; eine Fraktion unter Arthur Mutambara (MDC-M), die sich 2005 abgespalten hat, als eine zweite gesetzgebende Kammer eingeführt wurde, um für Senatssitze zu kandidieren, während die Ursprungs-MDC die Wahlen boykottierte; und eine kleinere Version dieser Gruppe, die sich im Januar 2011 bildete, als sie dafür stimmte, Mutambara durch Welshman Ncube als Parteiführer der MDC-N zu ersetzen.
Mutambara und Ncube sind mit Gerichtsprozessen beschäftigt, in denen sie um den „Besitz“ der kleineren MDC-Fraktionen und um das Recht auf Posten streiten, die der MDC-M unter dem Allgemeinen Politischen Abkommen zugewiesen wurden. Zurzeit scheint Mutambara den Verfassungsstreit um seine Position als stellvertretender Premierminister zu gewinnen, während Ncube die beiden der MDC-M zugewiesenen Ministerposten kontrolliert. Keiner der beiden Fraktionen werden bei den Wahlen große Chancen eingeräumt.
Unterdessen muss die MDC-T ihre eigenen Führungsprobleme bewältigen. Tsvangirai hat sich in der Regierung nicht besonders hervorgetan, bei den meisten politischen Auseinandersetzungen hat er seinem Finanzminister Tendai Biti das Feld überlassen. Seine Autorität war schon dadurch untergraben, dass er Mugabes politischen Schachzügen wenig entgegensetzen konnte. Kürzlich wurde das Ansehen Tsvangirais, der schon bald nach seiner Amtsübernahme als Premierminister Witwer geworden war, durch Enthüllungen über Affären, von ihm verursachte Schwangerschaften sowie eine erzwungene Heirat (oder eine Verlobung) beschädigt. Diese Skandale lassen ihn in der öffentlichen Wahrnehmung als schwach und lächerlich erscheinen.
Über den Fraktionskämpfen sind wichtige politische Fragen vernachlässigt worden. Dazu zählen die mangelhaften öffentlichen Dienstleistungen, die in die Höhe schnellenden Gebühren für den öffentlichen Dienst, die Überführung von Schlüsselindustrien in simbabwische Hände, das Fehlen einer einheimischen Währung und die zu geringen Steuereinnahmen. Menschen, die sich in den vergangenen zehn Jahren für die MDC engagiert haben, fragen sich heute manchmal, warum sie sich eigentlich so gequält haben.
Viele Wählerinnen und Wähler in Simbabwe stehen dem Wahlprozess und dem Wandel, der darauf folgen muss, äußerst ambivalent gegenüber. Weit entfernt von der Welt der Politik gibt es Anzeichen von Erholung und Versöhnung – oft unter der Schirmherrschaft lokaler Kirchen. Eine Rückkehr zur Parteipolitik, so fürchtet man, könnte dagegen nur noch mehr Gewalt bringen, weil die desillusionierten Wähler sich gezwungen sehen, für eine der sich bekämpfenden Eliten Partei zu ergreifen.
Aus dem Englischen von Lothar Berger.
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