Seit April 2018 stellt Premierminister Abiy Ahmed Weichen für eine friedliche Transformation des Staates. Er holt die Opposition ins Boot und entlässt politische Gefangene. Ein neues NGO-Gesetz weist auf ein Ende der Repressionen gegen die Zivilgesellschaft. Nach Abiys Friedenserklärung mit dem Erzfeind Eritrea würdigte die Kanzlerin bereits vergangenen August die politische Öffnung Äthiopiens und sagte Unterstützung zu.
„Es handelt sich um den ersten gewaltlosen Reformprozess in einem Land, das in der Vergangenheit politische Machtwechsel nur durch blutige Revolutionen errungen hat“, ordnet der Leiter der Bundestagsdelegation Uwe Kekeritz (Grüne) den Neustart ein. Weil sich unter den rund 80 Volksgruppen aber die Spannungen eher verschärft hätten, raten die Abgeordneten zu Wachsamkeit. Es rege sich Widerstand von reaktionären Kräften, auch in Abiys eigener Partei. Die bevorstehenden Kommunalwahlen werden für die Stabilisierung eine kritische Wegmarke sein, mahnt Eva-Maria Schreiber (Linke). Eine weitere Hürde sieht sie in der Neuverteilung von Land.
Abiy führe einen Wettlauf gegen die Zeit, „in Kürze muss er eine Mehrheit von seinen Reformen überzeugen“, sagt Frank Heinrich (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte. Sorgen machen ihm Abspaltungsbewegungen. Ähnlich sieht Ute Vogt (SPD) das bislang fehlende Bekenntnis zu einem Nationalstaat jenseits aller ethnischen Zuordnungen als „größtes Hindernis“, obwohl sie die Chance für wachsende Stabilität als günstig beurteilt.
Die Linke will den Zivilen Friedensdienst aufwerten
Aus Sicht der Abgeordneten solle Deutschland sich mehr für Konfliktprävention engagieren. „Versöhnungsarbeit und die Rolle des Zivilen Friedensdienstes müssen unbedingt aufgewertet werden“, fordert Schreiber von den Linken. Der SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie rät zu flankierender Hilfe bei der Wahlvorbereitung und zu juristischer Beratung für das Wahlgesetz sowie zu Fragen des Medienzugangs und der Parteienfinanzierung.
Deutsche Entwicklungspolitik hat vorrangig den Kampf gegen Hunger, den Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen und eine breite Teilhabe am Wirtschaftswachstum im Blick. Berufliche Bildung und Landwirtschaft sollen Schwerpunkte bleiben, versichert das Bundesentwicklungsministerium (BMZ). Etwa ein Drittel der äthiopischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Die Verhandlungen für eine Reformpartnerschaft mit Äthiopien will die Bundesregierung nach Auskunft des BMZ noch 2019 abschließen. Zusammen mit der Weltbank und Großbritannien sollen die Wirtschaft gefördert und Jobs geschaffen werden. Grüne und Linke halten diese Hinwendung zur Wirtschaftskooperation und Anreize für deutsche Privatinvestitionen für problematisch. Noch mehr Sonderwirtschaftszonen verschafften dem Staat keine Mehreinnahmen und den Menschen kaum Wohlstandsgewinn.
Finanziell wurde die Entwicklungszusammenarbeit seit den Regierungsverhandlungen 2017 bereits aufgestockt. Für 2018 und 2019 kommen knapp 375 Millionen Euro Zusagen zusammen. Um den Reformprozess zu stützen, soll „in Kürze“ ein Projekt zur sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung ehemaliger Rebellen anlaufen. Abiy hatte Oppositionsgruppen bei der Rückkehr, teils aus dem Ausland, und der Abgabe ihrer Waffen eine Generalamnestie und Starthilfe zugesichert.
Ex-Kombattanten forderten jetzt die versprochene Unterstützung, ohne dass die Regierung „über die notwendigen Kapazitäten verfügt“, erläutert eine Sprecherin des BMZ. „Der Unmut steigt spürbar.“ Deutschland sei auf Wunsch Abiys federführender Partner bei der Reintegration. Das über das Auswärtige Amt gesteuerte Projekt im Umfang von 25 Millionen Euro setzt auf Ausbildung, Betreuung und „begleitende Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen“.
Der Zivile Friedensdienst konzentriert sein mit jährlich rund 330.000 Euro gefördertes Engagement zur Bearbeitung von Konflikten um Land und Ressourcen zwischen verfeindeten Volksgruppen seit 2018 auf die Region Oromia, in der es auch zu gewalttätigen Übergriffen zurückgekehrter Rebellen gekommen ist.
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