Scharfes Curry und Sandstrände, dafür steht die Urlaubsmetropole Durban. Im vergangenen April schaffte es die südafrikanische Stadt jedoch mit einer Reihe ausländerfeindlicher Übergriffe in die internationalen Schlagzeilen. Mit Metallstangen, Macheten und anderen improvisierten Waffen gingen Bewohner in Armenvierteln auf Migranten los. Sechs Menschen kamen dabei ums Leben. Über Nacht wurden Moscheen und Polizeistationen zu Zufluchtsorten für Hunderte Migranten, die weitere Angriffe durch ihre Nachbarn fürchteten. Die Zuwanderer kommen etwa aus Malawi, der DR Kongo, Tansania, Burundi sowie Simbabwe.
Springfield: Hindu-Tempel grenzen an Fischmärkte, Einfamilienhäuer an die Wellblechhütten der Townships. Der Vorort von Durban gilt als das Epizentrum der Gewaltwelle. Hier hatten Bewohner bei Protesten Ende März den Laden eines Somaliers überfallen. Dieser wehrte sich mit einer Pistole und erschoss einen Angreifer.
Bald kam es zu Racheangriffen auf weitere Migranten. „Mitten in der Nacht wurden wir aus unserer Wohnung geworfen. Als sie sahen, dass wir ein Baby hatten, ließen sie uns laufen, aber nur mit der Kleidung, die wir trugen“, erzählt Miriam Mussa, die aus Malawi nach Springfield gekommen ist. Mit Mann und Kind musste sie die nächsten Tage im Freien schlafen. Dabei kam sie glimpflich davon – anders als ein Lkw-Fahrer in Durban, den ein Mob aus seiner Kabine zerrte und niederstach. Auch der Fahrer kam aus Malawi, so wie die meisten Betroffenen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verurteilte die Gewalt. „Unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Status“ müssten die Rechte von Immigranten gewahrt werden.
Das Scalabrini Centre, eine Organisation in Kapstadt, die Migranten unterstützt, vermutet politische Hintergründe. Am 8. Mai werden in Südafrika ein neues Parlament und Regionalparlamente gewählt. „Einige Parteien haben Migration zu einem Schlüsselthema ihrer Wahlkampagne auserkoren. Polarisierende Aussagen, vor allem wenn sie von Medien falsch verbreitet werden, drohen Missverständnisse und Spannungen anzufeuern“, sagen Sally Hurt und Lotte Manicom vom Scalabrini Centre.
„Die Grenzen sicherer machen“
Staatspräsident Cyril Ramaphosa vom regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) etwa sagte bei einem Wahlkampfauftritt den Tausenden ausländischen Kleinhändlern in Südafrika den Kampf an: „Jeder kommt einfach in unsere Townships und öffnet seinen Laden ohne Lizenz. Das hat nun ein Ende!“ Auch Oppositionsführer Mmusi Maimane von der Demokratischen Allianz (DA) versprach seinen Wählern, „die Grenzen sicherer zu machen“. Sein Parteikollege Herman Mashaba, Bürgermeister von Johannesburg, sorgt schon länger mit ausländerfeindlichen Aussagen für Aufsehen: Man könne sich nicht zurücklehnen, während „solche Menschen Ebola einschleppen“.
Autor
Markus Schönherr
ist freier Korrespondent in Kapstadt und berichtet für deutschsprachige Zeitungen und Magazine aus dem südlichen Afrika.Gareth Newham, Politologe am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria, weist darauf hin, dass sich die Wut ausschließlich gegen Migranten aus Afrika richtet; aus dem Westen stammende Zuwanderer wurden bislang nicht Opfer der Gewalt. Das deckt sich mit einer Umfrage aus dem Jahr 2017, wonach 56 Prozent der Südafrikaner Immigranten aus dem übrigen Afrika „nicht trauen“. Dazu komme die Untätigkeit der Polizei.
Auf den Aufschrei in internationalen Medien, vom UNHCR und von afrikanischen Regierungen gegen die Gewalt folgte Schadensbegrenzung: In Pretoria traf Südafrikas Außenministerin Lindiwe Sisulu afrikanische Botschafter zu einem Krisengespräch. Präsident Ramaphosa trat vor die Kameras und beteuerte: „Afrikas Entwicklung beruht auf dem Fluss von Menschen, Waren und Leistungen zwischen den einzelnen Ländern. Wir werden Kriminellen nicht erlauben, diesen Prozess zu behindern.“
Allerdings hatte Südafrikas Regierung schon früher Übergriffe auf Migranten verurteilt. 2008 etwa töteten wütende Mobs landesweit in Townships mehr als 60 Menschen. „Außer ein Ende der Angriffe zu fordern, hat Südafrikas Regierung wenig unternommen, um die Verantwortlichen zu verurteilen und vor Gericht zu bringen“, kritisierte jetzt das Africa Diaspora Forum nach den jüngsten Angriffen.
Beziehungen zu den Nachbarstaaten strapaziert
Vor kurzem hat die Regierung ihren Fünfjahresplan zur Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung vorgestellt. Einige Beobachter sehen darin den ersten Schritt zu einem besseren Schutz von Randgruppen. Kritiker hingegen fürchten, es handele sich nur um ein weiteres Lippenbekenntnis.
Für Experten und Betroffene steht fest, dass Südafrikas führende Politiker mit ihrer Wahlkampfrhetorik maßgeblich zu den Angriffen gegen Afrikaner beigetragen haben: „Das vermittelt Südafrikanern die Botschaft, dass wir hier nicht willkommen sind“, sagt ein Immigrant dem Onlineportal „GroundUp“. Auch Sambias Botschafter in Pretoria, Emmanuel Mwamba, machte „unüberlegte Äußerungen von Politikern“ verantwortlich und mahnte angesichts der bevorstehenden Wahlen zu mehr Vorsicht.
Der Gewaltausbruch bei Durban hat Südafrikas Beziehungen zu den Nachbarstaaten erneut strapaziert. Mit Blick auf die Tatsache, dass viele Anti-Apartheid-Aktivisten einst Schutz in anderen afrikanischen Ländern gefunden hatten, klagt die simbabwische Kommentatorin Jacqueline Tizora: „Schon nach 25 Jahren scheint der ANC vergessen zu haben, dass niemand freiwillig aus seiner Heimat flieht.“
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