Was erwarten Sie von dem neuen Weltbankpräsidenten David Malpass, der seit Dienstag im Amt ist?
Ute Koczy: Wir erwarten, dass die Weltbank aus Kohle, Gas und Öl aussteigt und wirklich etwas gegen den Klimawandel tut. Das ist die Aufgabe der größten Entwicklungsbank, die aber bisher weiterhin fossile Energien fördert. Das zeigen unsere Recherchen. Wir sind es leid, dass wir mit schönen Worten abgespeist werden und in der Realität so weitergemacht wird, wie bisher. Das führt die Welt in die Klimakatastrophe. Wir haben keine Zeit mehr, wir wollen Taten sehen.
Sehen Sie die Gefahr, dass Malpass von US-Präsident Trump instrumentalisiert werden könnte?
Knud Vöcking: Das weiß man bei Trump ja nie so genau. Der setzt oft irgendwo Leute hin und einen Monat später feuert er sie. Bei seinem Amtsantritt hat Malpass in einer Ansprache vor Mitarbeitern beteuert, dass er bei der bisherigen Agenda bleibt. Er findet es wichtig, dass die Bank etwas gegen den Klimawandel tut. Die Frage ist, ob das alles nur schöne Worte sind. Bei der Weltbank gibt es zudem noch viele andere Probleme. Malpass hat einen ganz klaren Privatsektor-Ansatz. Wir sehen, dass der Privatsektor hochgepäppelt wird und ihm alle Risiken von der öffentlichen Hand abgenommen werden – ganz nach dem Spruch "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren". Das geht bei uns nicht und auch nicht im internationalen Entwicklungsgeschäft.
Können Sie da Beispiele nennen?
Koczy: Es geht ja vor allem um öffentlich-private Partnerschaften (PPPs), etwa bei Autobahnen, Flughäfen oder Krankenhäusern. Für die Privaten geht es darum, Gewinne daraus zu ziehen und die Allgemeinheit muss dann den Rest zahlen. Die Lehre muss sein: Vorsicht vor PPPs. Denn sie bringen der Bevölkerung nichts. Armutsbekämpfung geht anders.
In welchen Regionen muss sich die Weltbank in Zukunft am meisten engagieren?
Koczy: Es geht vor allem um die Subsahara-Länder, also wirklich um die ärmsten. Überall wo Armut herrscht, muss die Weltbank ihrem Auftrag folgen. Das gilt dann auch für asiatische und lateinamerikanische Länder. Dabei darf sie sich nicht zu Gehilfen der Regierung und Eliten machen, die sie berät. Oft achtet die Weltbank nicht darauf, dass vor allem Initiativen der Bevölkerung am meisten helfen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Koczy: Zum Beispiel bei der Planung von Staudämmen. Großstaudämme sind nicht nachhaltig: Die Umwelt wird zerstört, die Zementproduktion ist nicht nachhaltig, die Leute werden umgesiedelt, es gibt Menschenrechtsverletzungen. Würde man das alles drei Nummern kleiner machen und gemeinsam mit der Bevölkerung entwickeln, wäre das viel besser. Aber das kriegt die Weltbank nicht hin. Erst vor kurzem haben wir von unseren Netzwerken vor Ort im brasilianischen Amazonasgebiet gehört, dass Menschen umgebracht wurden, weil sie sich für ihre Sache eingesetzt haben. Die Weltbank reagiert nicht darauf, dass man mancherorts einer tödlichen Gefahr ausgesetzt ist, wenn man sich gegen von der Bank geförderte Projekte wehrt. Die Bank muss besonders die Leute schützen, die es wagen, Kritik zu üben und für ihre Interessen einzutreten. Davon ist aber in ihrem Handeln wenig zu finden.
Deutlich schlechtere Umwelt- und Sozialstandards als die Weltbank hat laut einer neuen Studie die von China initiierte Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank AIIB. Stimmt das und was heißt das für andere Entwicklungsbanken?
Vöcking: Ja, es besteht die Gefahr, dass die AIIB mit ihren schlechten Standards die anderen Banken mit in den Sumpf zieht. In den letzten Jahren wurden die Weltbank-Standards bereits verwässert, um schnellere Geldabflüsse und Projektgenehmigungen hinzubekommen. Dabei hat die Evaluationsabteilung der Weltbank ganz klar gemacht, dass die Kosten und die Arbeit im Vorfeld, die Projekte zwar aufhalten, aber am Ende die Akzeptanz erhöhen und den Entwicklungseffekt verbessern. Einfach schnell Geld „raushauen“, hilft keiner Entwicklung, sondern höchstens den Auftragnehmern.
Befördert die AIIB dieses Denken?
Vöcking: Alle hehren Grundsätze, die die AIIB in ihrer Politik nennt, werden in der Realität ins Gegenteil verkehrt. Dieser Trend, fürchten wir, wird sich auch aufgrund des wachsenden Einflusses von China in anderen Banken fortsetzen. Das nächste große "Kampffeld" werden die Sozialstandards der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) sein. Diese gehen Ende dieses Jahres in die Revision. Mal sehen, wie China, Indien und andere, die an strengen Standards nicht interessiert sind, dann ihre Muskeln spielen lassen.
Inwiefern kann Deutschland als viertgrößter ausländischer Anteilseigner der AIIB noch Einfluss auf die Politik der Bank nehmen?
Vöcking: Das Problem ist, dass das Pferd von falschem Ende aufgezäumt worden ist. Großbritannien, das ja normalerweise engster Verbündeter der USA ist, ist trotz Weigerung der USA 2015 bei der AIIB eingestiegen und dann kam die ganze Hammelherde hinterher: Länder Europas wie Deutschland haben sich auf die schönen Versprechungen eingelassen und als Mitglieder der AIIB viele vorläufige Politiken mit verabschiedet. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Zwar sollen Ende des Jahres die Umwelt- und Sozialstandards der AIIB noch einmal überarbeitet werden. Aber wenn man sich das Gesamtkonstrukt der AIIB anguckt, weiß man, dass alle Europäer in der Falle sitzen. Das deutsche Finanzministerium und die anderen Exekutivdirektoren sind ein bisschen hilflos. Man versucht, noch das Beste zu erreichen. Ich befürchte, dass da noch einiges an miesen Projekten, an Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen beschlossen wird. Wir als zivilgesellschaftliche Organisation können nur immer wieder den Finger in die Wunde legen und sagen, was passiert.
Entwickelt sich zwischen der Weltbank und der AIIB eine Konkurrenz, könnten beide von den jeweiligen Regierungen in Washington und Peking für Ihre Zwecke missbraucht werden?
Vöcking: Ja, das kommt ziemlich klar raus. Wir hatten vor kurzem ein Treffen mit den europäischen Exekutivdirektoren der Weltbank. Da kam dann auch nochmal das Gespräch auf das Auswahlverfahren für Malpass und es wurde klar, dass bei der Entscheidung geopolitische Fragen mitgespielt haben. Diese Banken sind ganz klar auch Instrumente von Großmachtinteressen.
Das Gespräch führte Melanie Kräuter.
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