Sie schulen malische Sicherheitskräfte in Zusammenarbeit mit Bundeswehrangehörigen. Wie läuft das ab?
Ich wirke an der Schule für Friedenssicherung, der École de maintien de la paix Alioune Blondin Beye, der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS daran mit, Soldaten und Polizisten auszubilden. Die Schule in Bamako ist dem malischen Verteidigungsministerium unterstellt. Es wählt auch die Offiziere aus, die wir schulen. Die Ausbildung finanzieren Japan, Deutschland, die Schweiz und Kanada. Der Leiter der Lehrgangseinheit ist ein deutscher Offizier, eine weitere Leitungsaufgabe hat ein Polizist der Bundespolizei.
Welchem Ziel dient diese Ausbildung?
Das Ziel ist, dass die Armee Malis professionell wird. Konflikte in Afrika sind gekennzeichnet von Völkerrechtsverstößen wie sexuellen Übergriffen oder dem Einsatz von Kindern. Wir bringen den Offizieren bei, dass sie sich an die Menschenrechte und das Kriegsvölkerrecht halten müssen. Sie müssen Kombattanten, gegen die sie vorgehen dürfen, von Zivilisten unterscheiden und die für das Überleben der Bevölkerung nötigen Einrichtungen schützen. Das ist schwierig, weil in Mali Kämpfer, zum Beispiel einer Miliz, sich häufig unter die Zivilbevölkerung mischen. Die Offiziere müssen ihre Untergebenen entsprechend ausbilden, denn sie tragen die Verantwortung für das Verhalten der ihnen unterstellten Soldaten.
Der Armee werden immer wieder Übergriffe auf Zivilisten vorgeworfen. Hat die Ausbildung das Verhalten der Sicherheitskräfte verbessert?
Sie beginnt einen Einfluss zu haben. Wenn man die Sicherheitslage und die Einsatzwirklichkeit betrachtet, muss man aber sagen: Die erhofften Ergebnisse sind bisher ausgeblieben. Die Ausbildung folgt dem vom Verteidigungsminister gesetzten Rahmen und müsste neu ausgerichtet werden, an menschlicher Sicherheit.
Am 23. März hat eine Miliz aus der Volksgruppe der Dogon in der Region Mopti ein Massaker verübt. Stimmt es, dass die Miliz eine Art Partner des Staates war?
Wenn sich Milizen zur Selbstverteidigung bilden, geschieht das immer, weil der Staat einverstanden ist. Die Dogon-Miliz, die in dem Dorf Ogossagou über 130 Menschen umgebracht hat, ist weder die erste noch die einzige in der Region. Die Milizionäre dachten, dass Terroristen der von Amadou Kouffa geführten und mit Al-Qaida verbundenen Islamisten sich unter die Bevölkerung gemischt hätten. Der Staat wusste, dass die Dogon-Miliz eine Gefahr für Flüchtlinge aus der Bevölkerungsgruppe der Peul war, die sich in dem Dorf aufhielten. Er hat nichts getan, um Gewalt zu verhindern. Insofern kann man sagen, dass der Staat das Massaker begünstigt hat. Danach hat er dann die Dogon-Miliz aufgelöst. Allerdings hat deren Chef erklärt, dass die Miliz nicht vom Staat geschaffen worden sei und er sie deshalb auch nicht auflösen könne. Wenn er das wolle, müsse er auch die anderen Milizen im Norden Malis auflösen wie die von Tuareg-Gruppen.
Versucht die Regierung wieder – wie schon der 2012 gestürzte Präsident Amadou Toure –, Teile des Staatsgebiets unter Kontrolle zu bekommen, indem er Bündnisse mit Milizen und lokalen Machthabern schließt?
Ja. Zum Beispiel hat eine der Regierung nahestehende Miliz, die von einem früheren Colonel der Armee angeführt wird, an der Befreiung einiger Städte in Nord-Mali von den Islamisten mitgewirkt. Man hat dem Staat vorgeworfen, er habe diese Miliz mit Waffen und Logistik unterstützt. Der Colonel ist selbst Tuareg, aber seine Großfamilie liegt im Streit mit einer anderen Tuareg-Familie, welche die Region Kidal dominiert. Solche Komplizenschaft zwischen dem Staat und Milizen gibt es weiterhin. Das Kalkül ist grundfalsch, denn Milizen zu nutzen ist ein zweischneidiges Schwert. Das sieht man an der Dogon-Miliz, die sich jetzt nicht entwaffnen lassen will. Der Staat muss das Monopol auf legitime Gewaltausübung haben. Allerdings versagt er dabei und ist in den Gebieten, in denen solche Massaker stattfinden, kaum zu sehen.
Militärhilfe nützt bisher wenig
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Richtig. Neu an dem Fall Ogossagou ist allerdings der Verdacht, dass Söldner aus dem Ausland zu den Exzessen beitragen. Der Chef der Peul, die Opfer dieses Massakers waren, hat berichtet, dass einige Täter keine Dogon waren: Sie hätten Englisch gesprochen oder ein Französisch wie in der Elfenbeinküste. Ich vermute, dass Söldner, die sich nach dem Ende des Bürgerkriegs in der Elfenbeinküste 2011 an der Grenze zu Ghana gesammelt haben, jetzt Arbeit suchen und die in Mali finden.
Die europäische Militärintervention und die UN-Mission MINUSMA sollen den Staat in Mali stützen. Ist das unter diesen Umständen sinnvoll?
Das ist das Kernproblem der internationalen Intervention. Die UN-Mission hat den Auftrag, die Umsetzung des Friedensabkommens und die Präsenz des Staates im ganzen Land zu stärken. Eingetreten ist eher das Gegenteil: Für die Bevölkerung ist der Staat in weiten Teilen des Landes kaum vorhanden. Die Unsicherheit ist noch gewachsen, es gibt mehr Anschläge als vor Beginn der Intervention. In vielen Gebieten haben die Menschen den Eindruck, dass sogar die bewaffneten Gruppen ihnen mehr Sicherheit bieten als der Staat. Das riesige Gebiet im Norden Malis ist zum Niemandsland geworden, in dem der Drogenschmuggel und das Schleusertum blühen. Der Ansatz der Missionen sollte geändert und die Sicherheit der Bevölkerung ins Zentrum gerückt werden.
Die Bevölkerung zu schützen gehört nicht zum Mandat?
Nein. Die Missionen konzentrieren sich auf die Unterstützung der malischen Sicherheitskräfte. Aber jedes Mal, wenn die geschickt werden, scheitern sie. Staatliche Sicherheitskräfte können Kidal und andere Gebiete gar nicht betreten. Dabei sind zahlreiche Soldaten der MINUSMA, der französischen Anti-Terror-Mission Barkhane und weitere internationale Truppen im Land.
Wäre es besser, die internationalen Truppen abzuziehen?
Nein. Ich bin nicht dafür, die Intervention zu beenden, sondern sie neu auszurichten. Neue Methoden sind nötig.
Zum Beispiel welche?
Mehr Nähe und Kontakt zu den Einheimischen. Zurzeit müssen die Truppen darum kämpfen, von der lokalen Bevölkerung akzeptiert zu werden. Es wird zum Problem, wenn Jugendliche denken, Europa sei die Ursache für das Unglück Afrikas. Eine Generation, die so denkt, kann leicht von Extremisten rekrutiert werden. Hier sind mehr Kommunikation und konkrete Hilfe nötig. Wenn internationale Truppen zum Beispiel in Kidal ein Krankenhaus eröffnen würden, dann würden sie akzeptiert.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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