0,7 Prozent reichen nicht mehr

Ihre entwicklungspolitischen Erwartungen an eine künftige Bundesregierung haben Hilfsorganisationen, Wissenschaftler und andere Fachleute in einem gemeinsamen Memorandum zusammengefasst. Hauptforderung: Um die Folgen des Klimawandels zu mildern, müsse die angestrebte Quote für Entwicklungsleistungen von 0,7 Prozent am Bruttonationaleinkommen auf 1,2 Prozent nahezu verdoppelt werden.

Nach Auffassung der überwiegend zivilgesellschaftlichen Memorandum-Experten droht die Wirtschaftskrise drei langfristig bedeutendere Gefahren zu überlagern: die Klima- und Umweltkrise, die Ernährungskrise und schließlich regionale Konflikte, die sich zu globalen Sicherheitsrisiken ausweiten könnten. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedürfe es einer „schlüssigen Gesamtpolitik“, die Sicherheits-, Wirtschafts-, Klima- und Energiepolitik umfasst und die der Entwicklungspolitik eine zentrale Rolle beimisst.

Die prägnanteste Forderung der Memorandumsgruppe lautet: Die Kosten für die Vermeidung und die Beseitigung von Schäden durch den Klimawandel müssten mit einem Plus von 0,5 Prozent auf die angestrebten Entwicklungsleistungen von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens veranschlagt werden. Die Quote müsse also auf 1,2 Prozent erhöht werden; in Deutschland liegt sie derzeit bei 0,38 Prozent.

Als wichtige Aufgabe betrachtet die Gruppe außerdem die Wirtschaftsförderung in den Entwicklungsländern. Der privatwirtschaftliche Sektor dort müsse ausgebaut werden. Die schon im alten schwarz-roten Koalitionsvertrag angestrebte Verzahnung von Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik sei „strukturell nicht ausreichend verankert“ und müsse „entwicklungsorientiert“ vorangetrieben werden.

Weitere Forderungen sind die konsequente Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bei gleichzeitigem Abbau von Agrarsubventionen in den Industrieländern sowie ein Verzicht auf den Anbau von Agrarkraftstoffen, sofern dieser die Nahrungsmittelsicherheit gefährdet. Zu vermeiden sei außerdem eine sicherheitspolitische Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik. „Kernaufgabe“ müssten wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt sowie Armutsbekämpfung entlang den UN-Millennium-Entwicklungszielen sein. Die Kohärenz der entwicklungsrelevanten Politiken müsse verbessert und das Entwicklungsministerium zu einer Koordinierungsinstanz ausgebaut werden. Zivilgesellschaftliche Kräfte sollten stärker als bisher in die Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden.

Die Memorandumsgruppe legt dieses Jahr ihr viertes Papier dieser Art vor. Das erste Mal in den Bundestagswahlkampf eingeschaltet hatte sie sich 1994. Es folgten Memoranden in den Jahren 1998 und 2002.  Bei der vorgezogenen Wahl 2005 hatte die Gruppe wegen der kurzen Vorbereitungszeit auf eine Stellungnahme verzichtet.

erschienen in Ausgabe 7 / 2009: Finanzordnung: Was die Krise lehrt
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