Die Regenzeit auf Fidschi ist vorbei, aber das politische Klima hat sich seit Anfang April spürbar verschlechtert. Der Notstand ist verhängt, die Sicherheitslage ist angespannt, es gibt Straßensperren und Kontrollen, die Presse wird zensiert. Dies ist das Ergebnis einer Reihe von Putschen in den vergangenen zehn Jahren, denen der gegenwärtige Premierminister Josaia Voreqe Bainimarama, der zugleich Armeechef ist, seine Macht verdankt. Er ist nie zum Premier gewählt worden, sondern hat seinen Vorgänger Laisenia Qarase 2006 mit einem Militärputsch aus dem Amt gejagt. Das, so urteilte ein Berufungsgericht im Frühjahr 2009, war verfassungswidrig. Daraufhin rief Staatspräsident Ratu Josefa Iloilo den Notstand aus und gab Bainimarama die Macht zurück. Die soll er zunächst bis 2014 behalten, erst dann sind Neuwahlen vorgesehen.
Bainimaramas Macht hat seit dem unblutigen Putsch von 2006 stetig zugenommen. Unter anderem ist er Außenminister, Finanzminister, Informationsminister und Verwaltungsminister des rund 320 Inseln umfassenden Staates. Über das Militär hat er seit Jahren die Kontrolle, obwohl der Oberbefehl formal bei Präsident Iloilo liegt. Der aber ist 88 Jahre alt und hat die Parkinsonsche Krankheit. Viele Beobachter sagen, er höre auf Bainimarama. Gemeinsam sind die beiden kaum von der Macht zu verdrängen, denn Bainimarama hat das Militär hinter sich und Iloilo kann das Parlament auflösen.
Obwohl Fidschi nur rund 840.000 Einwohner hat, nimmt der Staat im Pazifik eine Schlüsselrolle ein. Für die vielen umliegenden Inselstaaten ist Fidschi ein wirtschaftliches Zentrum. Internationale Institutionen wie das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP haben dort Regionalbüros, die von 14 Pazifikstaaten getragene Universität des Südpazifik hat ihre Zentrale in der Hauptstadt Suva. Hinzu kommt, dass die Nachbarstaaten Vanuatu, Papua-Neuguinea und Solomon Islands ebenfalls instabil sind. Der Politologe Manfred Ernst vom Pacific Theological College in Suva fürchtet deshalb, dass die Vorgänge in Fidschi die gesamte Region weiter destabilisieren könnten.
Autor
Felix Ehring
ist freier Journalist in Frankfurt am Main.„Bainimarama hat systematisch leitende Positionen im öffentlichen Dienst und bei halbstaatlichen und staatlichen Firmen mit Gefolgsleuten aus den Reihen des Militärs besetzen lassen“, sagt Ernst, der seit 1991 mit Unterbrechungen in Fidschi lebt. Auch der australische Politikprofessor Graham Hassall von der Universität des Südpazifik bewertet die gegenwärtige Lage als Gefahr für die mühselig etablierte Zusammenarbeit der Pazifikstaaten. Hassall und Ernst stimmen darin überein, dass das Vorgehen der Militärführung unter Bainimarama in den vergangenen Jahren viel Schaden angerichtet hat.
Im Jahr 2000 hatte Bainimarama seinen späteren Widersacher Qarase als Premierminister eingesetzt. Zuvor hatten nationalistische Aufständische gegen Qarases Vorgänger geputscht und das Parlament angegriffen. Fidschi stand am Abgrund, es gab Plünderungen. Doch Bainimarama verjagte die Nationalisten schließlich und stellte die Sicherheit wieder her – ein Erfolg, der sein Ansehen zunächst steigerte.
Qarase, der 2001 in Wahlen als Premier bestätigt wurde, sprach sich jedoch gegen eine weitere Amtszeit Bainimaramas als oberstem Militär aus und versuchte eine Amnestie für die Putschisten von 2000 durchzusetzen. Bainimarama wandelte sich daraufhin vom Fürsprecher zum Gegner Qarases. Der Armeechef warf seinem ehemaligen Günstling vor, Konflikte zwischen dem indigenen und dem indischstämmigen Bevölkerungsteil zu schüren und die Korruption nicht in den Griff zu bekommen.
Qarases Versuch, die Putschisten von 2000 zu schonen, ist leichter zu verstehen, wenn man sich die Rolle der beiden großen Volksgruppen auf Fidschi anschaut. Qarase und die Nationalisten gehören zu den „indigenen“ Fidschianern, der größten Gruppe mit einen Anteil von 57 Prozent. Die zweitgrößte Gruppe sind die sogenannten Indo-Fidschianer mit rund 38 Prozent. Deren Vorfahren sind seit 1870 von den britischen Kolonialherrschern zur Arbeit auf den Zuckerrohr-Plantagen auf die Inselgruppe gelockt worden; ihre Gruppe ist seitdem stark gewachsen. Die Arbeiterpartei, die vor allem von Indo-Fidschianern gewählt wird, stellte 1999 in einer Koalitionsregierung den ersten Premierminister mit indischen Wurzeln, Mahendra Pal Chaudhry. Indigene Fidschianer fürchteten daraufhin ihre Vorrechte einzubüßen, die in der Landvergabe, dem Wahlsystem und im politischen System insgesamt zum Ausdruck kommen. Sie griffen die Regierung an und lösten damit jene Putschwelle aus, die bis heute anhält.
Der alte und neue starke Mann Bainimarama hat mit seinem Vorgehen in den vergangenen Monaten in den Augen vieler gezeigt, dass ihm politisches Fingerspitzengefühl fehlt. Und was „gute Regierungsführung“ angeht, so überzeugt er bestenfalls verbal. In Reden kritisiert er die schwerfällige Verwaltung, in der Posten eher nach Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Religion als nach dem Leistungsprinzip vergeben würden. Derlei Kritik bringt ihm bei Teilen der Bevölkerung noch immer Sympathien ein, aber geändert hat sich nichts.
Gegen Bainimarama selbst wurde wegen des Todes von fünf Soldaten während des Konflikts mit den Putschisten von 2000 ermittelt. Doch als Premierminister genießt er nun Immunität. Außerdem muss er sich den Vorwurf der Vetternwirtschaft gefallen lassen, seit er einem wegen Totschlags verurteilten Schwager nach kurzer Haft zurück ins Amt als Befehlshaber der Marine verhalf.
Auch internationaler Druck konnte Bainimarama bisher nicht dazu bewegen, Neuwahlen abhalten zu lassen. Das Commonwealth hat Fidschis Mitgliedschaft suspendiert – nicht zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Inselstaats von Großbritannien 1970. Anfang Mai wurde Fidschis Mitgliedschaft im Pacific Islands Forum ausgesetzt, dem Zusammenschluss der Pazifikstaaten sowie Australiens und Neuseelands. Die Europäische Union droht, die Wirtschaftshilfe zu streichen. Australien, Neuseeland und die USA haben Reiseverbote für eine Reihe fidschianischer Militärvertreter verfügt.
Fidschis Medien müssen schweigen
Die Medien und insbesondere die Zeitung Fiji Times haben die Missstände im Land lange unverblümt geschildert. Adressat der Kritik war vor allem die Militärregierung unter der Leitung von ...
Doch Fidschis Machthaber haben sich längst nach einem neuen Partner umgesehen: China investiert in dringend benötigte Infrastruktur, die außerhalb der größeren Städte oft mangelhaft ist. Viele Straßen sind löchrige Pisten, viele Dörfer werden allenfalls stundenweise mit Strom aus Generatoren versorgt. Die Zahl ungenehmigter Siedlungen hat zugenommen, 118 sind es derzeit nach UN-Angaben. Viele dieser Siedlungen liegen nah am Meer. Bei schweren Überschwemmungen in der Regenzeit wie im vergangenen Januar sind die Bewohner in ihren einfachen Unterkünften besonders gefährdet.
Taxifahrer, die hören, dass ihr Fahrgast aus Europa kommt, sagen, es müsse unbedingt wieder eine demokratische Regierung gewählt werden. Sie verdienen schlechter in diesen Tagen. Das zeigt, dass es der Wirtschaft des Inselstaates, die vor allem von den rund 500.000 Touristen pro Jahr abhängt, nicht gut geht. Die Urlauberzahlen gehen zurück, die Wirtschaftskrise und Berichte über die politische Instabilität werden diesen Trend verstärken. Andere Wirtschaftszweige können die Verluste nicht ausgleichen. Der Fidschi-Dollar wurde im April bereits um 20 Prozent abgewertet. Auch die Zuckerindustrie krankt an hausgemachten Problemen. Ein Gesetz sichert den indigenen Fidschianern 84 Prozent des Landbesitzes. Für die Indo-Fidschianer, die im Zuckersektor wie in anderen Wirtschaftszweigen sehr aktiv sind, bedeutet das teure und unsichere Pachtverträge. Da liegt es nahe, das Geld in andere Geschäfte zu investieren oder das Land zu verlassen und anderswo sein Glück zu suchen.
Auch politisch genießen die Indigenen Vorteile. Zwar wurde das Wahlgesetz bereits in den 1990er Jahren reformiert. Doch noch immer garantiert es den indigenen Fidschianern eine knappe Mehrheit der Sitze und das Amt des Präsidenten. Bainimarama hat bekräftigt, diese Ungerechtigkeit müsse beseitigt werden, ohne sich freilich bisher selbst daran gemacht zu machen. Sein Dilemma: Die indigenen Fidschianer würden mit einer Wahl- und Landreform Privilegien verlieren und ihm das übel nehmen. Auch deshalb ist die momentane Situation politisch brisant. Bainimarama selbst ist indigener Fidschianer und hat sich doch immer wieder gegen die Bevorzugung einzelner Volksgruppen ausgesprochen. Dennoch ist er bisher nicht dazu bereit, die Macht der Indigenen wirklich zu beschneiden.
Doch auch indigene Fidschianer sind unzufrieden mit den hierarchischen Strukturen, die den sozialen Aufstieg erschweren. Auf Taveuni, der drittgrößten Insel, beklagt sich ein Tauchlehrer über die Zustände in seinem Dorf. Die Söhne des Chiefs, der eine Art Gemeindevorstand ist, hätten selbst nie etwas leisten müssen und benähmen sich doch, als seien sie etwas besseres. Sie hätten mehr Geld als andere und könnten zur Universität gehen. Diese Besserstellung der Chiefs ist teilweise eine Folge des Landrechts, denn die Chiefs verteilen in ihren Dörfern die Einnahmen aus der Landverpachtung und denken dabei vor allem an sich selbst. Und der Posten des Chiefs wird in der Regel auf den ältesten Sohn übertragen – ein System, das noch aus der Kolonialzeit stammt. Nur indigene Fidschianer können Chiefs sein. Der Tauchlehrer auf Taveuni hofft indes, dass Bainimarama seinen Reden Taten folgen lässt und diese starren Strukturen aufbricht.
So lange bleibt es dabei, dass eine kleine Elite die Pfründe untereinander aufteilt. Sie hat die Macht im Großen Rat der Chiefs, der dritten Kammer neben dem Parlament und dem Senat. Der Große Rat wählt den Präsidenten und sichert so den indigenen Fidschianern zusätzlichen politischen Einfluss. Bainimarama hat das zwar als ungerecht gebrandmarkt, bislang aber nicht wirklich etwas dagegen unternommen. Er hat lediglich die Zusammensetzung des Rates verändert und ihn 2008 unter dem Vorsitz des Ministers für indigene Angelegenheiten wieder einberufen. Und dieser Minister ist derzeit Bainimarama selbst.