Bei Panda Flowers im kenianischen Rift Valley folgt die Rosenzucht dem Stundentakt. Dreimal am Tag ist Ernte in den großen Gewächshäusern. Und wenn die Schicht der Dutzenden Frauen in den Hallen nebenan vorbei ist, hat jede von ihnen 2000 bis 2500 Rosen nach Art und Farben sortiert, vom unteren Blattwerk befreit, auf Länge geschnitten, gebündelt und in Zellophanhüllen gesteckt. Dafür gibt es umgerechnet zwei US-Dollar am Tag. Dann geht die Fracht ab: auf eine Zehn-Stunden-Luftreise, vor allem nach Europa. Dort wird der Zehnerpack Rosen ab drei Euro verkauft. Langstielige Sorten sind teurer.
So lief es in den vergangenen Jahren und so ist es auch jetzt. Jedenfalls noch. Denn: „So hart wie heute“, sagt Panda-Generalmanager Richard Hechle, „war das Geschäft nie“ – einmal abgesehen von den Wochen der schweren ethnischen Unruhen nach der Präsidentschaftswahl Ende 2008 mit rund 1500 Toten und 300.000 Vertriebenen. Vorausgegangen waren schwere Wahlfälschungen. Gerade viele Menschen im Rift Valley, die gegen die Regierungspartei und Präsident Mwai Kibaki von der Ethnie der Kikuyus gestimmt hatten, fühlten sich betrogen. Aus Angst vor Übergriffen blieben viele Arbeiterinnen und Arbeiter von Panda Flowers zu Hause oder flohen. Die Produktion stockte.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Jetzt ist die Nachfrage das Problem: Im fernen Europa bleiben die Kunden weg. Valentinstag und Ostern, sonst Spitzenzeiten für das Geschäft mit den „Sweethearts“, waren unmissverständliche Alarmzeichen: In Großbritannien brach der Markt um 25 Prozent ein, der Absatz in ganz Europa ging um sieben bis zehn Prozent zurück. Auch die Deutschen sparen am bunten Blumenschmuck. Schuld daran ist die Wirtschafts- und Finanzkrise, eine andere Erklärung hat hier niemand.
Was Experten seit längerem vorhersagen, droht wahr zu werden: Dass auch Afrika diese Krise schmerzlich zu spüren bekommt, sollte sie nicht sehr bald abflauen. Die Rohstoffpreise sind nach einer Phase spekulativer Überhitzung abgestürzt. Ob der jüngste Wiederanstieg trägt, ist ungewiss. Der jüngst erschienene OECD-Wirtschaftsausblick für Afrika (siehe welt-sichten 06-2009) sagte dem Kontinent im Mai fast eine Halbierung der bisherigen durchschnittlichen Wachstumsrate für 2009 voraus – von gut 5 zurück auf 2,8 Prozent. Im Welthandel sei mit einem Minus von zehn Prozent zu rechnen. Das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Armut und Hunger rücke damit in weite Ferne.
Dabei kommt Kenia zugute, dass sein wirtschaftliches Wachstum nicht wie anderswo vor allem auf Erlösen aus Rohstoffen beruht. Das Land hat kaum Bodenschätze. Einnahmen aus dem Ausland kommen vor allem aus dem Tourismus und aus dem Kaffee- und Teeanbau – und eben aus dem Export von Schnittblumen. Auf diesem Feld ist Kenia inzwischen der größte Exporteur weltweit.
Dass für den 53-Hektar-Betrieb Panda Flowers nicht alles schon schlimmer gekommen ist, führt der Geschäftsführer auf besondere Umstände zurück: Panda Flowers produziert nach Regeln des fairen Handels und kann rund die Hälfte der Produktion unter dem Fair-Trade-Siegel absetzen. Die Abnehmer dieser Blumen in Europa müssten offenbar noch nicht so sehr sparen, vermutet Hechle. Ihnen sei es weiter einen kleinen Aufschlag wert, dass das Unternehmen, um den Fair-Trade-Regeln zu genügen, den Mehrerlös über die Förderung von lokalen Sozialprojekten an Arbeiterinnen und Arbeiter weitergibt.
Anderen der rund 200 Blumen-Anbaubetriebe Kenias geht es bereits wesentlich schlechter. Die Preise an den großen europäischen Blumen-Auktionsplätzen sind ins Trudeln geraten, die Händler zögern zu ordern. Ihre Zwischenfinanzierungen sind kostspieliger geworden, sofern sie überhaupt noch Geld geliehen bekommen. Mit den Produzenten im Rift Valley führen die Händler Nachverhandlungen – über Preissenkungen. Da ist im Vorteil, wer – wie Panda Flowers – mit günstigen Mitteln der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) wirtschaften kann.
Das gemeinnützige Tochterunternehmen der staatlichen KfW-Bankengruppe gibt günstige Kredite an kenianische Unternehmen aus verschiedenen Sektoren, von Energie über Landwirtschaft bis zum Tourismus. Das Geld soll zu Entwicklung und Armutsbekämpfung beitragen. Voraussetzung für einen Kredit ist, dass die Firmen Arbeitsplätze schaffen und ein gemeinwohl- und umweltorientiertes Regelwerk für sozial verantwortliche Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR) einhalten. Im Gegenzug geht die DEG höhere Kreditrisiken als normale Banken ein. Die halten angesichts von Misswirtschaft, politischen Risiken und Korruption in vielen Entwicklungsländern, gerade auch in Kenia, lieber die Taschen zu. Oder es ist ihnen zu aufwändig, die Geschäftsaussichten und Risiken von oft noch auf schwachen Beinen stehenden Unternehmen sorgfältig zu prüfen. „Unser Ausfallrisiko ist gering“, erklärt DEG-Geschäftsführer Winfried Polte. Aber ob das so bleibt?
Mahmud Jan Mohamed, der Geschäftsführer der feinen Serena-Hotelkette in Kenia und den angrenzenden Ländern Uganda und Tansania, sagt: „Schon 2008 war ein schlechtes Jahr.“ Wegen der Unruhen blieben die Touristen aus. Zu Hunderttausenden hatten sie sich zuvor an der Küste gesonnt oder waren auf Safari gegangen. Der Business-Bereich laufe dagegen nach wie vor gut. Wer in Ostafrika Geschäfte machen will, kommt an Kenia nicht vorbei. Und weil die diesjährige Hauptsaison noch bevorsteht und die Last-Minute-Nachfrage nach Hotels und Lodges anzieht, hofft Mohamed darauf, dass Kenias Tourismusbranche noch einmal halbwegs davonkommt: mit einem Minus von 10 bis 15 Prozent bis Jahresende.
Aber 30.000 von einst 200.000 Beschäftigten im Hotelgewerbe haben ihren Job schon verloren. Die Transferzahlungen kenianischer Migrantinnen und Migranten in die Heimat gehen drastisch zurück. Vielen Familien verhalf das Geld zu einem besseren Auskommen. Doch wer in den Industrie- oder den Ölländern heute weniger verdient oder entlassen wird, kann weniger oder gar nichts mehr abzweigen. Die Baubranche Kenias bekommt das ebenfalls zu spüren; viele Baustellen sind verwaist, auch in der Hauptstadt Nairobi. Mit dem schleichenden Niedergang sinken die Staatseinnahmen und damit auch die öffentlichen Mittel zur Armutsbekämpfung. Wegen schlechter Regierungsführung waren sie ohnehin nur spärlich geflossen. Das meiste Geld kam von den internationalen Gebern, die nun selbst in der Finanzklemme stecken und ihre vollmundigen Geldversprechungen für Afrika nur zögerlich einlösen. Zugleich wächst erneut die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den anhaltenden politischen Lagerkämpfen, der ungenierten Selbstbereicherung der Politiker und der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich. Niemand traut der Regierung zu, dass sie einen Weg aus dieser Krise weisen könnte. Und so bleibt nur die Hoffnung, alles noch einmal halbwegs glimpflich zu überstehen.