Gegen die Zersiedelung

Als einzige deutsche Kommune beteiligt sich Stuttgart an einem von der Europäischen Union geförderten Projekt, das lateinamerikanischen Städten hilft, brachliegende Flächen besser zu nutzen und so die Umwelt zu schonen.

Ziel des vierjährigen Vorhabens „Integration" ist es, Brachflächen in den Projektstädten für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung zu nutzen. In Zusammenarbeit mit europäischen Kommunen wollen die Gemeinden in Lateinamerika die voranschreitende Zersiedelung stoppen und die Zerstörung der Natur bekämpfen. Stuttgarts Partner in diesem Projekt sind die fünf Städte Guadalajara (Mexiko), Quito (Ecuador), Bogotá (Kolumbien), Rio de Janeiro und São Paulo (Brasilien) sowie der mexikanische Bundesstaat Jalisco. Aus Europa beteiligen sich neben Stuttgart Kommunen aus Spanien und Italien.

Wie groß das Potenzial der lateinamerikanischen Metropolen für eine Nutzung von Brachflächen ist, zeigt das Beispiel São Paulo. „Rund 2000 Hektar alte Eisenbahnflächen liegen in der Stadt brach", erläutert Hermann Kirchholtes, Projektkoordinator in Stuttgarts Amt für Umweltschutz. „Aber alte Flächen zu nutzen, ist aufwändiger, als bisher ungenutztes Terrain zu erschließen." Wegen der enormen Landflucht breitet sich die Millionenstadt stetig weiter aus, neuer Wohnraum muß dringend geschaffen werden. Deshalb sollen alte Gewerbe- und Industriegebiete saniert werden, die seit den 1970er Jahren nicht mehr genutzt werden. Derzeit siedeln dort Menschen ohne offizielle Erlaubnis. „Die Flächen sind zum Teil hoch belastet und stellen eine Gesundheitsgefahr für die Bewohner dar", sagt Kirchholtes. Die Bewohner von Favelas und informellen Siedlungen sollen bei der Vergabe von städtischen Wohnungen auf den brachliegenden Flächen berücksichtigt werden.

Das Projekt „Integration" gehört zum Programm URB-AL der Europäischen Kommission, das die Zusammenarbeit europäischer und lateinamerikanischer Städte und Regionen fördert. Die europäischen Fördergelder decken mit 2,8 Millionen Euro 80 Prozent der Gesamtkosten des Stuttgarter Projekts ab. 20 Prozent muss die baden-württembergische Landeshauptstadt selbst beisteuern. Stuttgart unterhält außerdem Dritte-Welt-Partnerschaften mit Kairo und Menzel Bourguiba in Tunesien. Deutsche Städte verfügen über wenig Erfahrung mit internationalen EU-Projekten und sind daher oft zurückhaltend bei der Beantragung von EU-Fördermitteln. Laut Kirchholtes hat es auch im Stuttgarter Gemeinderat und in der Verwaltung Vorbehalte gegen das Projekt gegeben.

Claudia Mende

welt-sichten 06-2009

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2009: Kleidung – Wer zieht uns an?

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