Die bisherige „Gemeinsame Fischereipolitik" der EU ist gescheitert. Das stellt die EU-Kommission in einem neuen Strategiepapier fest. Für eine Reform der Fischereipolitik für die Zeit nach 2012 müssten sowohl die EU-Fangflotte als auch die Fangquoten deutlich reduziert werden. Ob das die bedrohten Fischbestände retten und den Fischern an Afrikas Küsten helfen wird, ist aber zweifelhaft.
In dem Ende April vorgelegten Strategiepapier (Green Paper) zieht die EU-Kommission eine düstere Bilanz: 88 Prozent der Fischbestände in EU-Gewässern seien überfischt, knapp ein Drittel davon in einem Ausmaß, dass sie sich biologisch nicht wieder erholen könnten. „Die Europäische Fischerei zerstört ihre eigene ökologische und ökonomische Basis", heißt es in dem Papier.
Genau das sollte die 2002 reformierte gemeinsame Fischereipolitik der EU eigentlich verhindern. Stattdessen hat sie einen für die Überlebensfähigkeit der Fische wie der Fischerei zerstörerischen Effekt selbst geschaffen: den sogenannten „Beifang". Vorschriften zur Maschenweite der Netze, detaillierte Fangquoten für einzelne Sorten und die saisonale Eingrenzung von Fanggründen haben die Fischer veranlasst, im Rahmen dieser Bedingungen noch intensiver die Meere auszubeuten.
Als Folge ist der Anteil von legal nicht verwertbarem Fang enorm gestiegen. Dieser Beifang wird entweder als Abfall wieder ins Meer gekippt oder illegal an Land gebracht und verkauft. Derzeit laufen mehrere Ermittlungen, auch der EU-Kommission, zu illegalen Anlandungen und Vertriebswegen in der Europäischen Union; die mit nur 25 Inspektoren hoffnungslos unterbesetzte Kontrollabteilung der Kommission hat aber kaum eine Chance, den krummen Wegen der Verschiffung auf hoher See und in all den Häfen zu folgen.
Das Strategiepapier benennt zwar das Problem, nicht aber das Ausmaß dieser zerstörerischen Praxis. Laut einer von der Umweltorganisation WWF geförderten Studie liegt die Beifang-Quote der industriellen Fischerei weltweit bei mindestens 40 Prozent - mit einer Spannbreite von 20 Prozent in relativ gut kontrollierten Fanggründen wie dem Nordatlantik bis zu 95 Prozent entlang den afrikanischen Küsten. Die beiden Länder Südafrika und Namibia beispielsweise registrierten in den Jahren 1999 bis 2004 eine Beifang-Quote von gut 76 Prozent.
Das EU-Strategiepapier visiert für die Fischereipolitik nach 2012 eine weitere drastische Verkleinerung der EU-Fischflotte an. Doch das beruhigt afrikanische Fischer nicht - im Gegenteil: Sie befürchten, dass dies die zügellose Fischerei eher noch anheizt. Seit beispielsweise der Fischerei-Vertrag von Senegal mit der EU vor vier Jahren abgelaufen ist, hat sich laut einer senegalesischen Fischer-Organisation die Zahl der europäischen Schiffe von 34 auf 61 im Jahr 2008 fast verdoppelt. Als Joint-Venture-Schiffe gehören sie nominell zu 51 Prozent senegalesischen Eignern, tatsächlich aber bleibe die Kontrolle in Händen der europäischen Partner. In einer ersten Welle solcher Ausflaggungen im Zuge der Fischereipolitik-Reform von 2002 wurden vor allem überalterte EU-Boote von arabischen und chinesischen Betreibern übernommen, verblieben aber zumeist in afrikanischen Häfen.
Mit der anvisierten Reform 2012 könnte sich das wiederholen. Dann aber geht es um Schiffe, die mit EU-Subventionen technisch erheblich verbessert wurden und deren Fang-Effizienz gegenüber den alten Booten um fast die Hälfte höher liegt. Wird ein Teil dieser EU-Flotte nach Mauretanien, Angola oder Namibia ausgeflaggt, droht den afrikanischen Küsten das Schicksal der leergefischten Nordsee.
Heimo Claasen