Die größte Sorge der europäischen Entwicklungspolitik ist derzeit, wie in den kommenden Jahren möglichst viele junge Männer und Frauen in Afrika in Lohn und Brot gebracht werden können – damit sie nicht auf die Idee kommen, Richtung Europa auszuwandern. Geberländer wie Deutschland starten Beschäftigungsprogramme, um in den Ländern südlich der Sahara neue Arbeitsplätze zu schaffen. Einer neuen Studie des Center for Development in Washington zufolge, geht das in die falsche Richtung: Die meisten Menschen in Afrika haben keine formellen Jobs, sondern sind im informellen Sektor beschäftigt. Das heißt, sie haben ihre eigene kleine „Firma“ oder schlagen sich mit Gelegenheitsarbeit durch. Das war schon immer so auf dem Kontinent und wird auf absehbare Zeit auch so bleiben, schreiben die Autoren, die für ihr Papier eigene und fremde Forschung auswerten.
Wer also in Afrika Beschäftigung fördern wolle, der müsse sich auf den informellen Sektor konzentrieren, heißt es in der Studie. Das ist keine neue Erkenntnis. Neu sind hingegen nach Ansicht der Autorinnen die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet. Zum einen bieten neue Technologien und digitale Anwendungen kleinen informellen Firmen die Chance, sich schrittweise zu formalisieren – etwa indem sie Social-Media-Plattformen für die Werbung nutzen oder Online-Dienstleister um Rat bei der Buchhaltung fragen. Dank dieser Möglichkeiten sei die Grenze zwischen formellem und informellem Sektor heute fließend, heißt es in der Studie.
Den Plattformen mehr Profite abknöpfen
Zum anderen schaffe die Digitalisierung neue Arbeitsplätze in der sogenannten Gig Economy: Das sind kurzfristige Aufträge (gigs), die Dienstleister für Online-Anbieter übernehmen; ein Beispiel ist der Fahrdienst Uber, für den Millionen Fahrer in aller Welt arbeiten. Diese Jobs ähneln der Beschäftigung im traditionellen informellen Sektor – mit allen Nachteilen wie einem stark schwankenden Einkommen, fehlender Rechtssicherheit und dem Mangel an sozialer Sicherung. Dennoch sei diese Form der Beschäftigung mangels anderer Arbeitsplätze für viele eine gute Alternative, schreiben die Autoren.
Statt nur auf Jobs im formellen Sektor zu bauen, sollten die Regierungen in Afrika und die Geber die Vorteile der Gig Economy nutzen und diesen Wirtschaftszweig für Arbeiter attraktiver machen. Die Regierungen könnten etwa in Kooperation mit den Betreibern von Anbietern wie Uber vereinbaren, dass sich die Gig-Dienstleister über die Plattform für staatliche Sozialprogramme oder für die Rentenversicherung registrieren können, wenn sie das möchten. Außerdem könnten sie versuchen, den teilweise milliardenschweren Plattformen über Steuern und Gebühren etwas mehr von ihren Profiten abzuknöpfen. Die Autorinnen räumen aber ein, sie wüssten derzeit auch nicht, ob und wie das gelingen könnte.
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