Auf knapp 120 Milliarden US-Dollar sind im Jahr 2008 die staatlichen Entwicklungsleistungen der 22 OECD-Länder gestiegen - eine Rekordsumme. Die Geberländer erhöhten ihre Hilfe gegenüber 2007 real um gut 10 Prozent. Offen ist, wie sich die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise auswirkt.
Deutschland war im vergangenen Jahr - wie schon 2007 - weltweit der zweitgrößte Geber von öffentlicher Entwicklungshilfe nach den USA und vor Großbritannien, Frankreich und Japan. Auf umgerechnet 13,9 Milliarden US-Dollar sind die deutschen Leistungen laut den jüngsten Zahlen des OECD-Entwicklungsausschusses DAC gestiegen. Ein Jahr zuvor waren es knapp 12,3 Milliarden US-Dollar, was einen nominalen Zuwachs von rund 13 Prozent bedeutet.
„Wir stehen zu der europäischen Zusage, den Anteil am Bruttonationalprodukt, die ODA-Quote, bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent zu steigern", verkündete denn auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Auch das Entwicklungsministerium verschweigt freilich nicht, dass der Zuwachs von 13 auf rund 5,7 Prozent zusammenschnurrt, sobald der Rückgang des Dollarkurses gegenüber dem Euro und die Inflationsrate herausgerechnet werden. Inflationsbereinigt bleiben von den 13,9 Milliarden US-Dollar nur knapp 13 Milliarden übrig. Die deutsche ODA-Quote hat sich laut dem DAC von 2007 auf 2008 lediglich um 0,01 Prozentpunkte auf 0,38 Prozent erhöht. Wie die Bundesregierung schon im kommenden Jahr 0,51 Prozent erreichen will, bleibt ein Rätsel - ganz abgesehen von den 0,7 Prozent, die gegenüber den Vereinten Nationen zum Jahr 2015 versprochen sind.
Zusammengerechnet haben die OECD-Geberländer ihre ODA-Quote von 0,28 Prozent auf 0,30 Prozent gesteigert. Währungs- und inflationsbereinigt reduziert sich der neue Rekordwert von 119,8 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe aller OECD-Geber auf knapp 114 Milliarden US-Dollar. Aber auch das sind real stattliche 10,2 Prozent mehr als 2007. Rechnet man die Schuldenerlasse heraus, beträgt der Anstieg sogar 12,1 Prozent. Mit anderen Worten: Das Wachstum 2008 geht vor allem auf den Zufluss von „frischem Geld" zurück.
Im Moment spricht vieles dafür, dass die Hilfe trotz der Weltwirtschaftskrise weiter steigt - nicht zuletzt dank der zusätzlichen Gelder für die Weltbank und den
Internationalen Währungsfonds (IWF), die der G20-Gipfel Anfang April in Aussicht gestellt hat. Dank dieser Finanzspritzen und weil infolge der Krise die Wirtschaftsleistung der Industrieländer weniger stark wächst oder sogar schrumpft, machen in den kommenden Jahren möglicherweise auch die ODA-Quoten der Geber einen kräftigen Satz nach oben. Allerdings könnte dieser Effekt auch zu einem Rückgang der Hilfe führen: Wenn die Geber ihre gegenwärtigen Quoten nur halten wollen, dann können sie bei schrumpfender Wirtschaft ihre Entwicklungshilfe entsprechend reduzieren. Laut Berechnungen der UN-Milleniumskampagne könnte das im kommenden Jahr zu einem Minus von 4,5 Milliarden US-Dollar führen.
Außerdem soll das zusätzliche Geld für die Weltbank und den IWF die Entwicklungsländer vor allem vor einem noch tieferen Absturz in die Krise bewahren. Es bringt die Gebergemeinschaft nicht unbedingt den UN-Millenniumszielen näher. Nach Angaben der Weltbank dürfte die Zahl der Armen allein in diesem Jahr um 50 Millionen Menschen steigen.
Johannes Schradi