Sie haben die Erklärung des Bonner Aufrufs unterschrieben, dass die staatliche Entwicklungszusammenarbeit beendet werden sollte. Warum?
Dahinter steht die Einschätzung, dass einzelne Projekte zwar durchaus positive Effekte haben können. Aber die Hilfe hat keine gesamtwirtschaftliche Wirkung und reduziert nicht die Armut.
Lehnen Sie auch Beiträge Deutschlands für multilaterale Organisationen wie die Weltbank ab?
Ja, denn da gelten die gleichen Kriterien. Das Konzept, dass der Norden dem Süden hilft, Armut und Unterentwicklung zu überwinden, hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Entwicklungsminister Gerd Müller sagt, Afrika hat Probleme, wir haben die Lösungen. Und dann kommen wir mit Berufsbildung, mit Gesundheitswesen, mit Ausbildungsmaßnahmen. Die Kontinuität dieses alten Denkens ist noch da.
Aber der Entwicklungszusammenarbeit heute liegt doch nicht mehr die Idee zugrunde, dass wir Afrika entwickeln können. Das ist ein Zerrbild.
Es hat sich viel geändert, keine Frage. Es wird nicht mehr so stark in kleinen Projekten gedacht, sondern in größeren Zusammenhängen. Aber in diesem teilweise neuen Denken steckt immer noch die alte Entwicklungshelfer-Mentalität. Hinzu kommt, dass viele Länder in Afrika sagen: Wir wollen keine Entwicklungshilfeempfänger mehr sein, wir wollen nicht immer die Notleidenden sein, die Geld bekommen, mit dem dann die Konzepte aus dem Norden finanziert werden. Diese Diskussion gibt es ja nicht nur bei uns, sondern auch in Lateinamerika, vor allem in Asien und zunehmend auch in Afrika.
Bisher haben aber kaum Staaten im Süden von sich aus auf Entwicklungshilfe verzichtet.
Ja, das tun sie natürlich nicht, weil die Hilfe ein stetiger Geldfluss in den Staatshaushalt ist, der Optionen eröffnet. Das entlastet die Regierungen, die dadurch mehr Möglichkeiten haben, andere Dinge zu tun – zum Beispiel das Militär aufzurüsten oder die Bürokratie auszubauen ...
Sie können aber auch etwas Sinnvolles mit dem Geld machen. Entscheidend ist doch die Qualität der Regierungsführung.
Natürlich. Und wir wissen auch, dass einige Länder die Entwicklungshilfe vernünftig verwendet haben. Aber viele Regierungen haben sie eben genutzt, um damit Aufträge an Familienmitglieder zu bezahlen oder um Leute zu beschäftigen, die aus der Regierungspartei kommen. Wenn man alle Argumente zusammenträgt, dann läuft es auf die Forderung hinaus: Lasst uns mit der Entwicklungshilfe aufhören und die rund acht Milliarden Euro im Haushalt des Entwicklungsministeriums für andere Dinge verwenden.
Man könnte auch versuchen, die Hilfe zu verbessern, und nur an solche Länder geben, die vernünftig damit umgehen.
Ja, aber wir haben doch eine Art Entwicklungshilfe-Industrie der großen staatlichen Agenturen wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der KfW Entwicklungsbank. Die beteiligen sich nicht an dieser Diskussion, sondern halten sich aus nachvollziehbaren Gründen heraus: Sie wollen weitermachen wie bisher. Es führt aber kein Weg daran vorbei: Diese Industrie muss sich wandeln. Die Erfolge sind zu gering, es versickert zu viel Geld. Wir geben unabhängigen Staaten, die eigentlich selbst entscheiden sollten, die falschen Anreize. Wir verfolgen mit der Hilfe zudem unsere eigenen Interessen, und ein Teil des Geldes fließt in unsere eigene Industrie zurück.
10 Jahre Bonner Aufruf
Im September 2008 legte eine Handvoll älterer Herren, darunter der inzwischen verstorbene Rupert Neudeck sowie der frühere entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Winfried Pinger, eine ...
Das lässt sich natürlich nicht feststellen. Man kann aber den Vergleich ziehen zu Ländern wie Malaysia, die viel weniger Hilfe bekommen haben und den Aufstieg aus eigener Kraft geschafft haben. Es spricht einiges dafür, dass das in Afrika nicht gelungen ist, weil sie in eine von der Entwicklungshilfe verursachte Abhängigkeitsspirale geraten sind. Geld, das geschenkt oder zu extrem günstigen Konditionen verliehen wird, führt dazu, dass die Regierungen keine Verantwortung dafür übernehmen. Es verhindert, dass sie Steuern erheben und die Bevölkerung in die Mittelverwendung einbeziehen. Staaten machen dann gute Politik, wenn die Regierungen gewählt wurden und die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen verantwortungsbewusst verwenden. Wir müssen die Länder in Afrika endlich ernst nehmen, wir haben kein Recht, uns einzumischen. Wenn wir kooperieren wollen, dann auf der Basis gemeinsamer Interessen.
Was spricht gegen Entwicklungszusammenarbeit in Form von Beratung, wie sie die GIZ anbietet?
Ich habe nichts dagegen, wenn Fachleute aus Deutschland einen Auftrag eines afrikanischen Staates kriegen und von diesem auch dafür bezahlt werden. Wenn Deutschland mit China auf staatlicher Ebene kooperieren will, dann fährt die Regierung dahin und bespricht mit Peking gemeinsame Probleme, etwa im Handel, bei Investitionen oder bei der Hochschul- und Technologiekooperation. Dann wird verhandelt und man macht gemeinsam etwas. Und genau das wünsche ich mir auch für Afrika. Wenn wir nach China fahren und sagen würden, ihr habt kein Konzept für Berufsbildung, wir haben eins für euch, dann würden die Chinesen sagen: Mag sein, das wir keins haben, aber wir wollen das alleine hinkriegen.
Sehen Sie das Auftreten Chinas in Afrika als Vorbild?
Das hat mehrere Aspekte. Chinas Politik in Afrika folgt vor allem geostrategischen Motiven. Im Moment verstärkt China die Nachteile Afrikas im internationalen Handel; es überschwemmt die afrikanischen Märkte mit Billigprodukten und zerstört Industrien dort. Richtig gemacht hat China hingegen, dass es in Infrastruktur investiert hat, etwa in den Zugang zu Elektrizität. Die internationale Gemeinschaft hat lange geglaubt, das könne privat finanziert werden.
Das macht die KfW Entwicklungsbank seit vielen Jahren auch. Aber von ihr wollen Sie es nicht.
Nein, ich will nicht, dass das Geschenke sind. Das muss bezahlt werden. Natürlich kann man die Staaten etwa im Rahmen der Afrikanischen Entwicklungsbank unterstützen und Finanzierungsinstrumente für den Infrastrukturausbau finden. Das kann Teil der finanziellen Zusammenarbeit sein, aber es darf nicht von den Gebern diktiert werden.
China gibt afrikanischen Regierungen Kredite für Infrastruktur. Fachleute warnen vor einer neuen Schuldenkrise.
Das stimmt, aber China hat einigen Ländern bereits Schulden erlassen. Zudem sind die Kredite sehr langfristig, weil China aus eigener Erfahrung weiß, dass der Kredit etwa für eine Straße nicht schon nach einem Jahr zurückgezahlt werden kann. China geht da mit einer langfristigen und strategischen Perspektive heran.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
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