Neustart nach den Wahlen

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Deutsche Städte wollen ihre tunesischen Partnerkommunen bei der Demokratisierung unterstützen. Angesichts der politischen Instabilität in dem nordafrikanischen Land brauchen sie dazu einen langen Atem.

Der Weg zur Demokratie ist auch auf lokaler Ebene steinig. Im Mai fanden in Tunesien zum ersten Mal nach dem Sturz von Diktator Ben Ali im Jahr 2011 Kommunalwahlen statt; mehrfach war der Termin verschoben worden. Die Lokalwahlen sind ein entscheidender Schritt für das seit der Zeit des französischen Protektorats (1881-1956) zentralistisch regierte nordafrikanische Land.

Nach 2011 waren Bürgermeister und Stadträte zunächst abgesetzt beziehungsweise aufgelöst und durch Übergangsvertreter ersetzt worden. Erst seit der Wahl im Mai haben die 350 tunesischen Städte und Gemeinden demokratisch gewählte Bürgermeister und Stadträte. Fast die Hälfte der Kandidaten waren Frauen.

Wichtige Fragen sind allerdings immer noch offen, zum Beispiel welche Budgets die Kommunen von der Zentrale erhalten sollen. Dabei bestehen schwere Interessenskonflikte bei der Verteilung knapper Mittel zwischen der wohlhabenderen Küstenregion und dem verarmten Landesinneren. Es sei unklar, ob der politische Wille zur Dezentralisierung bei den Eliten wirklich vorhanden ist, schreibt Heike Löschmann von der Heinrich-Böll-Stiftung in Tunis in ihrer Analyse der Kommunalwahlen. Die Verantwortung für kommunale Dienstleistungen wie zum Beispiel Müllentsorgung liegt jetzt bei den Kommunen. Intransparenz und Korruption, aber auch eine schwerfällige Verwaltung sind dort ein großes Problem.

In der Phase politischer Instabilität seit 2011 haben sich die neun Partnerschaften und Freundschaften zwischen tunesischen und deutschen Kommunen unterschiedlich entwickelt. Was in der einen Partnerschaft funktioniert, klappt in anderen gar nicht. Braunschweig, Köln, Marburg, Münster, Plön, Schöningen und Stuttgart haben Städtepartnerschaften; Wolfsburg hat eine Städtefreundschaft und Helmstedt ist mit dem Gouvernorat Medenine verbunden.

Die Verbindung von Plön in Schleswig-Holstein mit der Gemeinde Ksour Essaf besteht zwar schon seit über 40 Jahren. Nach 2011 ist sie trotzdem eingeschlafen, weil es keinen Ansprechpartner mehr in der Gemeinde an der Küste rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Tunis gab.

Ehrgeizige Pläne in Köln

In Köln, das seit 1964 mit Tunis verbunden ist, gab es nach der sogenannten Jasminrevolution ehrgeizige Pläne, die nicht umgesetzt werden konnten. Mit einem Bürgerbüro wollten die Kölner die demokratische Entwicklung von Tunis fördern. Doch aus der Idee (siehe „weltsichten“ 5/2013) ist nichts geworden. Warum? Darauf hat Kölns Vertreterin Lydia Klütsch keine Antwort. Es ist aber durchaus typisch für die Phase der Unsicherheit in Tunesien, dass Projekte angedacht und wieder verworfen wurden oder im Verwaltungsdschungel stecken geblieben sind.

Autorin

Claudia Mende

ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.de
Immerhin arbeiten Köln und Tunis im Bereich Müllentsorgung zusammen. Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeitet eine Fachkraft aus Köln zu diesem Thema in der Stadtverwaltung von Tunis. Sie hat den Auftrag, Menschen stärker für Umweltfragen zu sensibilisieren. Eine Ausstellung zum Thema Plastikmüll wird in beiden Partnerstädten gezeigt.

Lydia Klütsch hat der im Mai gewählten neuen Bürgermeisterin von Tunis bereits gratuliert. Wie sich die Zusammenarbeit mit ihr entwickeln wird, wisse man aber noch nicht, sagt sie. Souad Abderrahim von der islamisch-konservativen Ennahda-Partei ist die erste Frau, die eine arabische Hauptstadt leitet. Im Wahlkampf nannte sie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, eine bessere Müllentsorgung und mehr Grünanlagen als ihre Prioritäten.

Eltern hielten den Schüleraustausch zu gefährlich

In Braunschweigs Partnerstadt Sousse dagegen, der drittgrößten Stadt des Landes, hat die Idee eines Bürgerbüros funktioniert. Jetzt können die Bürger dort ihre Anliegen und Beschwerden vorbringen. Wolfsburg und Jendouba, eine Stadt im Nordwesten Tunesiens an der Grenze zu Algerien, haben gemeinsam einen Bürgerpark entwickelt, einen öffentlichen Raum vor allem für junge Menschen.
Mühsam läuft es zwischen Münster und dem beliebten Urlaubsort Monastir. „Die Instabilität hat die Kontakte zwischen den Partnerstädten erst einmal schwieriger gemacht“, sagt Anja Terhorst von der Stadt Münster. 1969 wurde die Verbindung beschlossen. Ein etablierter Schüleraustausch ist eingeschlafen, weil Eltern aus Münster die Teilnahme für zu gefährlich hielten. Trotz dieser Schwierigkeiten sieht Terhorst die Partnerschaft als einen „Motor der Demokratisierung“. Hilfreich war etwa, dass in Zusammenarbeit mit der GIZ zwei Mitarbeiter aus Monastir 2014 bei den Kommunalwahlen in Münster im Wahllokal hospitieren konnten, um sich mit dem Prozedere einer Kommunalwahl vertraut zu machen.

Nach den Kommunalwahlen könnten sich die Verhältnisse in den tunesischen Städten stabilisieren. In Plön will man die Beziehung zu Kfour Essaf mit einem gewählten Bürgermeister neu beleben. In Münster glaubt Anja Terhorst, dass sich die Zusammenarbeit in Zukunft verbessert, aber sie weiß: „Bis zu einem demokratischen Miteinander ist es noch ein weiter Weg.“

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