Eiszeit zwischen Istanbul und Köln

Tllmann Elliesen

Herbst in Istanbul. Die türkische Metropole hat ihre Partnerschaft mit Rotterdam gekündigt – aus Protest gegen die Politik der niederländischen Regierung.

Deutsch-Türkische Städtepartnerschaften
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind auf einem Tiefpunkt angekommen. Deutsche Kommunen wollen trotzdem solange es geht an ihren Verbindungen mit Partnerstädten in der Türkei festhalten.

Bisher hat nur die türkische Stadt Bursa die Zusammenarbeit mit ihren deutschen  Partnern Kulmbach und Darmstadt offiziell aufgekündigt, doch bei vielen Kooperationen liegen Projekte auf Eis, Ansprechpartner in der Türkei wurden ausgetauscht und manche Aktivitäten sind eingeschlafen. Besuchsprogramme funktionieren auch aufgrund der prekären Sicherheitslage in der Türkei nur eingeschränkt.

Viele der über 60 formellen Partnerschaften sowie der rund 30 weiteren Kontakte und projektbezogenen Verbindungen sind in den vergangenen 20 Jahren entstanden und haben nicht zuletzt auch der besseren Einbindung der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland gedient. Heute allerdings sorgen sie mehr für neuen Konfliktstoff. Köln und Istanbul haben ihre Partnerschaft im Jahr 1997 besiegelt. Die Stadt am Rhein und die türkische Metropole wollten gemeinsam zur Verständigung zwischen Deutschen und Türken beitragen. Bürgermeister von Istanbul war damals Recep Tayyip Erdogan. Heute weiß in Köln niemand so recht, wie es weiter gehen soll.

Die Sorge wächst, dass politische Entscheidungen in Ankara und Berlin die weitere Zusammenarbeit der beiden Kommunen gefährden. 2016 kündigte Istanbul einseitig die Partnerschaft mit Rotterdam, weil die Niederlande Wahlkampfauftritte türkischer Minister untersagt hatten. Die Anweisung, die Partnerschaft zu beenden, kam direkt aus dem Büro von Staatspräsident Erdogan.

Köln bangt um die ­Partnerschaft mit Istanbul

Seitdem befürchtet man am Rhein, dass es gegenüber Köln zu einem ähnlichen Szenario kommen könnte, wenn der Türkei etwas nicht passt. „Das wäre sehr schade“, sagt Walter Kluth, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins, denn die Beziehung sei sehr aktiv. 280 Veranstaltungen seien in den 20 Jahren durchgeführt worden. Schulpartnerschaften, Begegnungsreisen, Kontakte von Sportgruppen und Künstlern sind entstanden. Jetzt versuche man eben aufrechtzuhalten, was geht. „Überwintern“ nennt Kluth das.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst bekräftigt, man wolle an der Partnerschaft festhalten. Aber neue Konflikte sind bereits in Sicht: Die armenische Gemeinde in Köln – mit 5000 Mitgliedern nach eigenen Angaben die größte in Deutschland – wünscht sich ein Denkmal für die Opfer des Völkermords Anfang des 20. Jahrhunderts. Istanbuls Oberbürgermeister hat bereits in einem Brief dagegen protestiert. Wie es weitergeht, ist zurzeit offen. Über den Antrag der Armenier hat der Kölner Stadtrat noch nicht entschieden.

Viele Türken in Deutschland und Deutsche türkischer Abstammung sind sich uneins über ihre Haltung gegenüber der Politik des Heimatlandes. Unter diesen Konflikten leidet auch die Akzeptanz der Städtepartnerschaften in den deutschen Kommunen. Viele Bürger – Deutsche und Bürger türkischer Herkunft – seien skeptisch gegenüber der Zusammenarbeit geworden, weil sie Erdogan-Gegner seien, sagt Riza Özlek von der Initiative zur Förderung der Städtepartnerschaft Antalya-Nürnberg. Dabei kann Nürnberg zurzeit mit seiner Partnerstadt Antalya durchaus weiterarbeiten. Auch hier feiert man dieses Jahr das 20-jährige Jubiläum; der Bürgermeister von Antalya soll Ende November nach Nürnberg kommen.

In Antalya war die Mehrheit gegen Erdogans Referendum

„Ich bin auch gegen Erdogan“, sagt Özlek, „aber ich möchte, dass die Arbeit weitergeht.“ Schließlich habe die Mehrheit der Bürger Antalyas beim Verfassungsreferendum im April 2017 mit Nein gestimmt, bei dem es um größere Machtbefugnisse für den Staatspräsidenten ging. Trotz einer Einschüchterungskampagne der Regierung bekam Erdogan nur knapp eine Mehrheit. Auch Thilo Tilemann vom Partnerschaftsverein Wiesbaden-Istanbul/Fatih denkt vor allem an jene Türken, die nicht mit der derzeitigen Politik einverstanden sind. „Wir dürfen die Hälfte der türkischen Bevölkerung, die Erdogan nicht gewählt hat, nicht allein lassen.“ 

Besonders schwierig ist die Situation bei den Verbindungen zu Kommunen in den Kurdengebieten. Sie haben ohnehin Seltenheitswert. München verfügt über Kontakte zu der kurdisch geprägten Stadt Mardin im Südosten der Türkei nur 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. 2016 wurde die Zusammenarbeit Münchens mit Mardin mit einigen anderen als erstes Projekt im Rahmen der Kommunalen Nahost-Initiative des Bundesentwicklungsministeriums der Presse vorgestellt. Sogar Minister Gerd Müller (CSU) war damals dabei.

München wollte in der Berufsausbildung für jugendliche syrische Flüchtlinge in Mardin tätig werden und so Fluchtursachen bekämpfen. Damals war die erst 29-jährige Akyol Akay Bürgermeisterin, die einzige Christin in diesem Amt in der Türkei. Doch aus dem Projekt wurde nichts. Im November 2016 wurde Akay – wie zahlreiche andere Bürgermeister aus oppositionellen Parteien – ihres Amtes enthoben, ein staatlicher Verwalter übernahm. Die Projekte Münchens liegen derzeit auf Eis. Eine Wiederaufnahme in absehbarer Zeit werde derzeit als „unrealistisch“ angesehen, heißt es dazu aus der Münchner Stadtverwaltung. Claudia Mende

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erschienen in Ausgabe 11 / 2017: Süd-Süd-Beziehungen: Manchmal beste Freunde
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