Der Sudan ist bislang vor allem als Transitland für Migranten aus Somalia und Eritrea im Blickfeld Europas – und als Partner bei der Migrationsabwehr. Mit Präsident Omar al-Bashir hat die Europäische Union (EU) im Rahmen des Khartum-Prozesses ein Abkommen geschlossen. Damit unterstützt sie unter anderem die sudanesische Armee und Polizei, Flüchtlinge zu erfassen, zu internieren und so zu verhindern, dass sie sich auf den Weg über das Mittelmeer machen.
Die beiden Wissenschaftlerinnen Susanne Jaspars und Margie Buchanan-Smith widmen sich in ihrer Studie für die britische Denkfabrik Overseas Development Institute (ODI) nun erstmals dem Schicksal von Sudanesen, die ihre Heimat verlassen und sich auf die gefährliche Reise nach Europa begeben. Es sind vor allem junge Männer aus der Krisenregion Darfur, in der seit 2003 ein blutiger ethnischer Konflikt tobt, den Sudans Regierung mit dem Einsatz von Milizen anheizt.
Der knapp 150 Seiten starke Bericht beruht auf mehr als 240 Interviews und Gruppendiskussionen mit Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen in Darfur und Khartum sowie Migranten in Italien, Belgien und Großbritannien. Er zeigt, welche Gründe die Männer zum Verlassen ihrer Heimat bewegen, auf welchen Routen sie vorwärtskommen und welche Härten sie zunächst in Libyen und danach – wenn sie es schaffen – in Europa erdulden müssen.
Irrfahrt trotz Traumatisierung
Vieles ähnelt den Geschichten von Migranten aus anderen Teilen Afrikas – und macht einmal mehr klar, wie die europäische Abschottungspolitik den Menschenschmuggel begünstigt und das Leben und die Sicherheit von Migranten gefährdet. Es zeigt auch, wie Unterschiede bei den Asylgesetzen die Geflüchteten auf eine Irrfahrt durch verschiedene europäische Länder schicken – ungeachtet dessen, dass viele von ihnen traumatisiert sind vom Krieg in ihrer Heimat, Misshandlungen in Libyen und dem abweisenden Empfang in Europa, wo sie häufig in überfüllten Camps oder auf der Straße leben.
Zugleich kritisieren die Wissenschaftlerinnen den Umgang der EU und anderer Geber mit der sudanesischen Regierung und lenken den Blick auf die vergessene Krise in Darfur. Zwar gebe es humanitäre Hilfe und Entwicklungsprogramme für die Vertriebenen, die in der Mehrzahl in riesigen Lagern in der Region leben, doch die könnten jungen Menschen keinen Schutz vor Verfolgung oder Perspektiven für die Zukunft bieten.
Die ODI-Studie liefert eine differenzierte Analyse der Migration aus dem Sudan inklusive Empfehlungen an die EU, wie diese sicher und legal gestaltet werden kann. Die sudanesische Regierung fordern die Autorinnen auf, sich um eine Beilegung des Konfliktes in Darfur zu bemühen – in dem etwa Streitigkeiten um Landrechte und den Zugang zu natürlichen Ressourcen geklärt werden. Es sieht aber leider nicht so aus, als ob es in absehbarer Zeit den politischen Willen dazu gäbe.
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