Haare schön, Fett weg, Haut verziert

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Überall auf der Welt möchten Menschen gut aussehen, sich in ihrer Haut wohlfühlen oder über ihre Kleidung und ihre Frisuren Signale setzen. Fünf Frauen und Männer aus der Schönheits- und Modebranche erzählen, welche Wünsche ihre Kundinnen und Kunden haben – und was sie tun, wenn ihnen selbst das nicht gefällt.

„Türkische Mode existiert nicht mehr“

Mine Yıgıt, 38 Jahre, Modedesignerin, Istanbul, Türkei

Ich arbeite seit zehn Jahren als Modedesignerin in Istanbul. So etwas wie „türkische Mode“ existiert eigentlich nicht mehr. Meine Kunden lassen sich von globalen Trends beeinflussen, die sie in sozialen Netzwerken oder in beliebten Fernsehsendungen sehen. Diese Trends wiederum werden von der Modeindustrie bestimmt. Schon jetzt stehen etwa die Modetrends für die kommenden zwei Jahre fest.

Es gibt heute kein Gefühl für individuellen Stil mehr. Die Menschen wollen nur noch besitzen, am liebsten die allerneuesten Modelle. Dabei sollte doch jeder Mensch das anziehen, was zu seinem Charakter passt und sich für ihn gut anfühlt. Zurzeit sind bei uns Pastellfarben und Spitze sehr angesagt. Vor zehn Jahren wurde Spitze in der Türkei nur zu besonderen Anlässen getragen.

Manchmal kommen Kunden mit Modewünschen zu mir, die von meiner Vorstellung von Schönheit abweichen. Um sie nicht vor den Kopf zu stoßen, gebe ich ihnen erst einmal das Gefühl, dass ich ihre Wünsche wertschätze, und versuche dann, einen Kompromiss zu finden. Seit einiger Zeit entwerfe ich meine eigenen Handtaschen. Vom Leder bis zum Logo, alles ist Handarbeit. Es macht mich glücklich, etwas selbst herzustellen und zu sehen, dass es den Kunden gefällt. Das ist viel erfüllender als Trends zu imitieren. Es nährt meine Seele. Aufgezeichnet von Mariam Brehmer.
 

„In Kapstadt gibt es jede Menge Trendsetter“

Tracy Murphy, 33 Jahre, Make up & und Hair Artist, Kapstadt, Südafrika

Meine Kunden werden immer anspruchsvoller. Sie fragen, welche Produkte ich verwende, ob sie bio sind und unter fairen Bedingungen gehandelt werden. Das kann ich mit gutem Gewissen bejahen, ich achte sehr auf die Auswahl. Inzwischen sind auch gute Produkte kleinerer Firmen in Südafrika erhältlich. Und es gibt in Kapstadt vorbildliche Ausbildungsinstitute für Friseure und Kosmetiker, die mit dem Niveau in Industrienationen konkurrieren können.
 
Es gibt so etwas wie einen südafrikanischen Stil, ich glaube, wir sind noch etwas detailverliebter und extrovertierter als andere Nationen – das äußert sich dann auch beim Make-up und bei den Wünschen für den Haarschnitt, da wird viel Wert auf Einzelheiten gelegt. Ich setze aber vor allem auf dezente und natürliche Akzente.
 
In Kapstadt gibt es eine Menge Trendsetter, die aufwendige Styling-Wünsche haben, zum Beispiel ist gutes Aussehen Männern in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Ich habe heute weit mehr männliche Kunden als noch vor fünf Jahren, nicht nur aus der Schwulenszene. Sie sind immer bereit, ihren Look weiterzuentwickeln. Unsere Stadt ist lebendig und extro-­­­­­­­vertiert. Und sie verändert sich wie ihre Einwohner sehr schnell. Ich glaube deshalb, dass ich immer Arbeit haben werde. Aber man darf nicht das Gefühl für den Zeitgeist verlieren. Aufgezeichnet von Christian Putsch.
 

„Die Patientinnen sind meine Visitenkarte“

Jessica Alexandra Garcia Saenz, 30 Jahre, Geschäftsführerin der privaten Klinik Corpus y Rostrum in Cali, Kolumbien

Die Top drei der Eingriffe sind seit vielen Jahren die gleichen: Fettabsaugen steht an erster Stelle, gefolgt von Brustvergrößerung und Nasenkorrektur. Ich möchte den Patientinnen vor allem mehr Selbstbewusstsein geben. Der Großteil von ihnen ist zwischen 29 und 40 Jahre alt. Sie haben ihr eigenes Einkommen und stehen im Berufsleben. Ein neuer Trend hat mit dem Fitness-Boom zu tun. Viele Frauen schaffen es, mit Sport ihren Körper in Form zu bringen. Das ist zwar gesund, aber viel Sport verbraucht viel Sauerstoff und lässt die Haut schneller altern.

Wir machen deshalb immer häufiger Eingriffe bei sportlichen Frauen: Verjüngung, Gesichtsbehandlungen, das Entfernen von Pölsterchen an Bauch und Hüften. Fast 90 Prozent der Kunden sind weiblich. Männer lassen sich vor allem Haare implantieren und die Nase korrigieren. Jede meiner Patientinnen ist wie meine Visitenkarte – ich werde mit ihr in Verbindung gebracht. Wenn eine Behandlung gut gemacht ist, muss sie nicht unbedingt meinem Geschmack entsprechen. Doch wir haben in meiner Klinik strenge ethische Kriterien. Erst findet eine sehr ausführliche Beratung statt, und wir planen den Eingriff gemeinsam. Dabei werden auch die Erwartungen mit den Möglichkeiten abgestimmt. Aufgezeichnet von Ani Diesselmann.
 

„Manchmal verdrehe ich die Augen“

Emmanuel Orellana, 41 Jahre, Friseur in San Salvador, El Salvador

Als ich vor 20 Jahren meinen Abschluss als Friseur gemacht habe, war die Mode ziemlich langweilig. Gerade, fast statische Haare und allenfalls eine Tolle. Weil ich einer der Besten meines Jahrgangs war, bekam ich ein Stipendium, um mich in Dallas in Texas weiterzubilden. Da habe ich ganz neue Dinge gesehen, die erst später nach El Salvador gekommen sind.

Erst wurde das Haar lockerer, mit viel mehr Bewegung. Dann kam die Revolution der Chemie. Am Anfang haben wir nur die Spitzen ausgebleicht. Das war damals Mode unter den Surfern in Kalifornien. Heute gibt es alle möglichen Formen der Aufhellung und Färbung. Am Anfang war das nicht angenehm. Die Mittel rochen wie die Chemie, mit der man verstopfte Abflüsse frei bekommt. Sie waren ungesund für die Haare und für die Haut. Heute verwende ich nur noch pflanzliche und angenehm riechende Produkte.

Manchmal verlangt eine Kundin einen radikalen Schnitt und ich muss mich umdrehen, damit sie nicht sieht, wie ich die Augen verdrehe. Ich versuche ihr dann zu erklären, warum das so nicht geht, und suche einen Mittelweg zwischen ihrem Wunsch und dem, was sie schön macht. Aufgezeichnet von Cecibel Romero.
 

„Tattoos spiegeln wider, wer Du bist“

Anneke Fitrianti, 33 Jahre, Tattoo-Künstlerin und Inhaberin von Petrichor Tattoo in Yogyakarta, Indonesien

Tattos sind schon immer ein Teil meines Lebens: Meine Eltern sind beide stark tätowiert, mein erstes eigenes Tattoo bekam ich als Teenager. 2008 ging ich bei einem bekannten Tattoo-Künstler in die Lehre – anderthalb Jahre lang musste ich Hilfsarbeiten erledigen, bevor ich selbst das Gerät in die Hand nehmen durfte. 2010 habe ich als erste Frau in Yogyakarta mein eigenes Studio eröffnet. Am Anfang konnte ich davon kaum leben, heute habe ich viele Kunden aus aller Welt. Die meisten haben über Freunde von mir gehört oder über die sozialen Medien. Immer wieder sind Menschen überrascht, dass ich als Frau ein Tattoo-Studio betreibe – besonders in dieser konservativen muslimischen Gesellschaft. Inzwischen lassen sich aber auch immer mehr Frauen tätowieren. Es gehört zur Mode und gilt als Kunstform.

Zu meinen Kunden gehören Politiker, Dozenten, Ärzte, Schauspieler und sogar ein Priester. Jeden berate ich individuell. Wir besprechen, welches Motiv an welcher Stelle und in welcher Größe am besten zu ihm passt. So gewinne ich Vertrauen und es kommt hinterher nicht zu Missverständnissen. Viele Trends kommen und gehen, aber ich halte mich an meinen eigenen Stil, der unter anderem von Comics und Fantasyfilmen beeinflusst ist. Tattoos spiegeln wider, wer du bist und an was du glaubst, es geht nicht einfach um Verschönerung. Sie sind die physische Manifestation deiner Persönlichkeit, von der du willst, dass sie auch andere sehen. Aufgezeichnet von Christina Schott.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2018: Drang nach Schönheit
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