Die EU-Kommission hat Verhandlungsziele für den Kyoto-Folgevertrag formuliert, den die Klimaschutzkonferenz Ende dieses Jahres in der dänischen Hauptstadt beschließen soll. Auf ihrem Frühjahrsgipfel im März wollen die EU-Regierungen die Ziele absegnen. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen halten sie für viel zu zaghaft. Zudem bürdeten sie den Entwicklungsländern zu große Lasten auf.
Die „Mitteilung", die die Kommission Ende Januar vorgelegt hat, dringt auf den Abbau der Treibhausgasemissionen in der EU gegenüber 1990 um dreißig Prozent bis zum Jahr 2020 - allerdings nur, „wenn sich die anderen Industriestaaten zu vergleichbaren Reduktionen verpflichten und die wirtschaftlich weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit und ihrer Möglichkeiten ebenfalls ihren Teil beitragen". Die Entwicklungsländer, bis auf die „am wenigsten fortgeschrittenen", müssten ihren Ausstoß von Treibhausgasen um 10 bis 15 Prozent senken, verlangt die Kommission.
In diese Verknüpfung von eigenen Reduktionszielen mit Forderungen an die Entwicklungsländer sind die möglichen Bruchpunkte in Kopenhagen schon eingebaut. Denn auch wenn die Kommission das 30-Prozent-Ziel der EU (und der in der OECD zusammengeschlossenen Gruppe der Industrieländer) als „ehrgeizig" bezeichnet, gesteht es den Industrieländern dennoch weit höhere Emissionen zu als den Entwicklungs- und Schwellenländern, kritisieren Entwicklungsorganisationen (NGOs) wie Oxfam sowie das Climate Action Network (CAN).
Zwar sei es prinzipiell richtig, auch in den Schwellenländern etwas gegen einen Anstieg der CO2-Emissionen auf das Niveau der Industrieländer zu unternehmen. Der von der Kommission in die Diskussion eingebrachte Rahmen von Einsparungen bis zu 15 Prozent sei überdies nötig, um den globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Dazu aber sei finanzielle und technische Hilfe nötig - und zwar zusätzlich zur allgemeinen Entwicklungshilfe.
Genau solche Zusagen vermissen die NGOs jedoch in der Kommssionsvorlage. Ohne „solche konkreten und ambitionierten Finanztransfers zur Bekämpfung und zur Anpassung an den Klimawandel wird die Kopenhagen-Konferrenz scheitern", heißt es in einer Stellungnahme des World Wide Fund (WWF). Laut Oxfam wurden erste bezifferte Ansätze aus der Endfassung des Kommissionspapiers wieder gestrichen - aus Furcht vor der wirtschaftlichen Krisenstimmung im Europäischen Rat.
Stattdessen konzentriert sich die Kommission auf das Ziel eines „globalen Kohlenstoffmarkts" und das dafür vorgesehene Mittel, den Handel mit Emissionsrechten. Das ist dem Anliegen, Ziele für die Verhandlungen über einen Kyoto-Nachfolgevertrag vorzulegen, durchaus angemessen. Der Emissionshandel verlagert aber nach Ansicht von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen den Klimadreck der reichen Industrieländer rechnerisch in die Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika, statt ihn tatsächlich zu reduzieren. „Die EU verschiebt die Lasten des Klimaschutzes auf den Rücken der Ärmsten dieser Welt", schließt Oxfam. Das sei so ähnlich wie beim von den Industrieländern forcierten großflächigen Anbau von Viehfuttersoja oder Biospritpflanzen in Entwicklungsländern, der dort in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehe und die bäuerliche Landwirtschaft verdränge.
Heimo Claasen