Mit Blick auf den Frühjahrsgipfel der EU hat die EU-Kommission politische Ziele für die Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung des Zugangs zu Rohstoffen vorgelegt. Laut Industriekommissar Günter Verheugen sei dafür „die gesamte Bandbreite unserer externen Politikinstrumente zu nutzen". Dazu gehöre die Außen-, Sicherheits-, Handels-, Regulierungs- und auch die Entwicklungspolitik.
Zwei Positionspapiere nennen Ziele zur langfristigen Ausrichtung der Energie- und Industriepolitik. Bereits Ende 2008 wurden unter der Leitung von Kommissionspräsident José Manuel Barroso „Vorschläge zur Energieversorgungssicherheit und -solidarität sowie zur Energieeffizienz" veröffentlicht. Verheugen legte mit Überlegungen zu einer europäischen „Rohstoffinitiative" nach. Darin stellt er fest: „Bisher gibt es keine umfassende EU-Strategie mit dem Ziel, den Zugang der EU zu Rohstoffen in ausreichenden Mengen und zu akzeptablen Preisen zu sichern." Dabei sei die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft gerade von Mineralien und hochtechnologischen Basismetallen „besonders kritisch". Daraus schließt Verheugen: „Wegen seiner erheblichen Relevanz für die Sicherheit im Allgemeinen sollte das Ziel eines sicheren Zugangs zu nichtenergetischen Rohstoffen in der Europäischen Sicherheitsstrategie, die zurzeit vom Rat überarbeitet wird, angemessen berücksichtigt werden."
Die Kommissarin für EU-Außenbeziehungen Benita Ferrero-Waldner sekundiert, dass das Thema Energie in den Außenbeziehungen der EU wichtiger werde. Die Entwicklung starker und zuverlässiger Energiepartnerschaften mit den Energieversorgern und Transitstaaten sei wesentlich. Deshalb würden Maßnahmen empfohlen, „die es der EU erleichtern, Investitionen zum Ausbau der Infrastruktur zu mobilisieren, die für die Versorgung aus Drittstaaten grundlegend sind." Dies erfordere „transparente und verlässliche Rahmenbedingungen innerhalb der EU ebenso wie in den Drittländern". Die EU solle deshalb alle zur Verfügung stehenden Mittel anwenden, um ihr Gewicht gegenüber Energie-Lieferländern zur Geltung zu bringen und neue, breit gefächerte Partnerschaften anzubieten. Auf multilateraler Ebene solle die EU weiter auf die Liberalisierung von Handel und Investitionen im Energiesektor drängen.
In Verheugens „Rohstoffinitiative" wird das so präzisiert: „Viele bedeutende Rohstoffvorkommen befinden sich in den Entwicklungsländern Afrikas und anderen Entwicklungsländern. Es empfiehlt sich, die EU-Entwicklungspolitik auf diskriminierungsfreien Zugang auszurichten, damit EU und Entwicklungsländer gleichermaßen gewinnen. Verantwortungsvolle Staatsführung, Transparenz bei der Vergabe von Abbaulizenzen und der Verwendung von Einnahmen aus der Rohstoffförderung, gleiche Bedingungen für alle Unternehmen, Zugang zu Finanzmitteln, gerechte Besteuerung und eine solide Entwicklung sind für die Entwicklungsländer und die EU gleichermaßen von Nutzen."
In einem Vortrag beim Bundesverband der Deutschen Industrie kritisierte Verheugen Bemühungen von Schwellenländern wie Brasilien, Indien oder China, sich einen bevorzugten Zugang zu Rohstoffen in ressourcenreichen Ländern zu sichern - zum Nachteil der EU-Wirtschaft. Zudem hätten viele Schwellenländer Strategien zum Schutz ihrer eigenen Ressourcenbasis entwickelt und verzerrten damit den internationalen Rohstoffhandel. Die EU-Kommission muss nach Verheugens Ansicht energisch gegen Maßnahmen vorgehen, die gegen WTO-Regeln oder bilaterale Abkommen verstoßen, und dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen.
In Kommentaren von nichtstaatlichen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen heißt es, die zwei EU-Positionspapiere enthielten durchaus begrüßenswerte Ansätze. Als erfreulich bewerten die Organisationen die ausführlichen Passagen zur Förderung der effektiveren Energienutzung in der EU oder zum Recycling. Freilich bliebe dabei die einseitige globale Arbeitsteilung unberührt und werde sogar gefestigt. Die EU weise den Süd- und Schwellenländern die Rolle der Grundstofflieferanten zu und verweigere ihnen jedwede „protektionistische" Politik zum Ausbau eigener verarbeitender Industrien.
Heimo Claasen