Von Jean-Pierre Kapp
Südafrikanische Supermarktketten, Banken, Mobilfunk-Anbieter und Bergbaukonzerne haben sich seit dem Ende der Apartheid in vielen Ländern Afrikas niedergelassen. Die Firmen sorgen in anderen afrikanischen Staaten zwar für Wachstum und günstige Preise. Lokale Unternehmen fühlen sich von der starken Konkurrenz aber zunehmend an den Rand gedrängt.
„Südafrikanische Orangen, südafrikanische Milch, südafrikanisches Fleisch, südafrikanischer Wein und südafrikanische Butter. Alles kommt aus Südafrika - oder fast alles. Ich habe den Eindruck, wir stellen nichts selbst her und wir verkaufen keine eigenen Produkte mehr", erklärt der mosambikanische Ökonom Carlos Nuno Castel-Branco. Auch im Bankensektor nehme die Präsenz der Südafrikaner zu. Natürlich seien südafrikanische Investitionen willkommen, um das Land entwickeln zu helfen. Aber manchmal sei es fast ein bisschen zu viel des Guten, erklärt Castel-Branco weiter.
Die Namenszüge von südafrikanischen Unternehmen prägen nicht nur das Bild mosambikanischer Städte und Orte, sondern sind ebenso in fast allen Hauptstädten der anderen Nachbarländer Südafrikas zu finden. In Windhuks wichtigster Einkaufsstraße ist das Logo der Supermarktkette Checkers unübersehbar, eine Filiale der Kette Spar befindet sich gleich nebenan. Auch die meisten südafrikanischen Banken haben eine Niederlassung in Namibias Hauptstadt oder sind an einem der lokalen Bankinstitute beteiligt. Unübersehbar sind die unzähligen Ableger der verschiedenen Fastfood- und Restaurantketten. Das gleiche Bild bietet sich in Lesotho, Swasiland, Botswana und noch immer sogar in Simbabwe.
Die südafrikanischen Unternehmen haben seit dem politischen Wandel von 1994 einen wahren Eroberungsfeldzug geführt und ihre Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent stark ausgebaut. Das South African Institute for International Affairs (SAIIA) schätzt, dass Unternehmen vom Kap zwischen 1994 und 2007 rund 200 Milliarden Rand in Afrika investiert haben (gut 15 Milliarden Euro). In dieser Zahl sind allerdings Firmenübernahmen und Beteiligungen von Unternehmen wie AngloGold Ashanti in Ghana einberechnet. Südafrika gehört damit inzwischen zu den fünf größten Investoren in Afrika und ist der größte afrikanische Investor auf dem Kontinent. Die Expansionswelle begann mit dem Ende der Apartheid, als auch die Handelsrestriktionen der afrikanischen Staaten gegen den Kap-Staat wegfielen. Die südafrikanische Wirtschaft und die großen südafrikanischen Unternehmen befanden sich zu dieser Zeit zudem trotz der jahrelangen Isolation in einer guten Verfassung und verfügten über die für die Expansion nötigen Mittel.
Wie weit die Erorberung des afrikanischen Kontinentes fortgeschritten ist, belegt auch die südafrikanische Handelsbilanz. Die südafrikanischen Exporte in andere afrikanische Länder haben zwischen 1994 und 2006 von 8,6 Milliarden auf 53,4 Milliarden Rand auf mehr als das Sechsfache zugenommen. Die Importe sind zwar ebenfalls sehr stark von 2,3 auf 29,4 Milliarden Rand gestiegen, blieben damit aber über den gesamten Zeitraum klar unter dem Wert der Exporte. Der afrikanische Kontinent ist die einzige Region, mit der Südafrika einen Überschuss beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen erzielt. Im Handel mit allen anderen Kontinenten weist der Kapstaat ein deutliches Defizit auf.
Die südafrikanischen Unternehmen expandierten in der ersten Phase vor allem in die unmittelbaren Nachbarländer, die in der Südafrikanischen Zollunion (SACU) zusammengeschlossen sind. Zu den SACU-Ländern gehören neben Südafrika Namibia, Botswana, Swasiland und Lesotho. Praktisch gleichzeitig drangen südafrikanische Unternehmen auch in die Märkte der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) vor, die sich nordwestlich bis in die Demokratische Republik Kongo und nordöstlich bis nach Tansania erstreckt. Andere Teile des Kontinents wurden mit einer gewissen Verzögerung erschlossen. Der Fokus lag dabei zunächst auf Ostafrika. Später kamen westafrikanische Staaten hinzu. Hier ließen sich südafrikanische Unternehmen vor allem im anglophonen Teil Westafrikas nieder, da die Konkurrenz in den früheren französischen Kolonien zu stark war. Die Eroberung der neuen Märkte wurde in den meisten Fällen von Bergbauunternehmen wie AngloGold Ashanti, Gold Fields, De Beers oder Anglo American initiiert, denen dann Banken folgten, welche die Expansion finanziert hatten. In einer dritten Phase kamen Mobilfunkunternehmen sowie Supermarkt- und Restaurantketten nach.
Der südafrikanische Goldförderer AngloGold Ashanti ist inzwischen auch in Guinea, Namibia, Tansania und Mali tätig, De Beers hat verschiedene Minen in Namibia und Botswana. Anglo American wiederum besitzt mehrere Unternehmen für die Förderung von Basismetallen in verschiedenen afrikanischen Staaten. Dass die Banken den südafrikanischen Unternehmen „folgten", ist vor allem darauf zurückzuführen, dass lokale Banken nicht bereit oder in der Lage waren, Kredite zur Verfügung zu stellen. Die südafrikanischen Banken wiederum haben sich zunächst fast immer auf das Unternehmensgeschäft konzentriert und sind in einigen Ländern erst nach und nach ins Privatkundengeschäft eingestiegen.
Nach einer ersten Phase der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen südafrikanischen Unternehmen vor allem bei der Finanzierung entwickelten einzelne Branchen eine Eigendynamik. Telekomunternehmen wie MTN und Vodacom expandierten besonders schnell und erschlossen sich immer neue Märkte. MTN ist inzwischen in fünfzehn afrikanischen Ländern tätig, Vodacom in vier. Am weitesten verbreitet sind südafrikanische Supermarktketten. Der Billiganbieter Checkers hat sich mittlerweile zur größten Supermarktkette in ganz Afrika entwickelt.
Die schnelle Expansion südafrikanischer Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent ist nicht nur auf Finanzkraft zurückzuführen, sondern auch auf den Wissensvorsprung auf vielen Gebieten. Nicht zuletzt spielt Förderung seitens der Regierung eine wichtige Rolle. Südafrika hatte in den vergangenen Jahren die Devisenrestriktionen für Investitionen in afrikanischen Ländern stärker gelockert als für Investitionen in westlichen Ländern oder in Asien. Damit wollte die südafrikanische Regierung zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents beitragen, dem es immer noch an Auslandsinvestitionen mangelt. Generell ist die Kapitalausfuhr in Südafrika immer noch erheblich beschränkt. Das hat die südafrikanischen Banken auch daran gehindert, im amerikanischen Hypothekengeschäft mitzumischen, und sie damit vor größerem Schaden bewahrt.
Das offensive Vorgehen südafrikanischer Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren in den betroffenen Ländern unterschiedliche Auswirkungen und hat vielfältige Reaktionen hervorgerufen. Während neue Banken oder Telekomunternehmen zumeist geschätzt wurden, weil diese in der Regel auch einheimische Unternehmen zu Preissenkungen zwangen, war dies bei den Supermarktketten nicht immer der Fall. Die neuen, mächtigen Anbieter von Nahrungsmitteln und Alltagsgütern wurden oft als Konkurrenz für die kleinen lokalen Geschäfte empfunden. In vielen afrikanischen Ländern gibt es Lebensmittel vor allem bei informellen Händlern. Diese sehen sich von den neuen Kolossen in ihrer Existenz bedroht. Unter den Produzenten fühlen sich viele lokale Anbieter - oft Kleinbauern - benachteiligt, da südafrikanische Farmen höher mechanisiert sind und deshalb billiger produzieren können.
Seit 2008 zwölf der vierzehn SADC-Staaten eine Freihandelszone gebildet haben, der die restlichen beiden (Angola und die Demokratische Republik Kongo) demnächst beitreten sollen, dürften diese Spannungen weiter zunehmen. Es wird erwartet, dass vor allem südafrikanische Unternehmen profitieren werden, da sie die Möglichkeiten des neuen Marktes nutzen können. Kleinhändler hingegen wissen oft gar nicht, dass sie ihre Waren zumindest theoretisch zollfrei auch in andere Länder verkaufen können.
Jean-Pierre Kapp ist Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung und des Evangelischen Pressedienstes in Kapstadt.