Die Lösung für das falsche Problem

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Blockchain
Oft wird behauptet, neue Datenbanktechnologien wie Blockchain würden die Entwicklungshilfe auf den Kopf stellen. Doch das ist unwahrscheinlich und verkennt die wahren Probleme.

Verganges Jahr hat die dänische Entwicklungsagentur Danida unter dem Titel „Hack the future of Development Aid“ einen Bericht veröffentlicht, der das Potenzial der Blockchain-Technologie untersucht, die Entwicklungshilfe umzuwälzen. Eine Blockchain ist eine Liste von miteinander verketteten Datensätzen, die verschlüsselte Transaktionen an vielen Stellen aufzeichnet; so entsteht eine fälschungssichere Datenbank. Im Bericht von Danida wird ein rosiges Bild davon gezeichnet, was diese Technik dazu beitragen kann, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Ganz auf der Linie führender Blockchain-Verfechter argumentiert der Bericht, eine digitale Kryptowährung wie Bitcoin zu benutzen könne die Abwicklung finanzieller Hilfen beschleunigen, weil Mittelsmänner zwischen Geber und Empfänger umgangen würden. Landtitel, Versicherungsunterlagen und Identitätsnachweise könnten in Blockchain-Aufzeichnungen überführt werden. Das würde Papierarchive überflüssig machen und korrupten Regierungen die Grundlage entziehen.

Danida ist nicht allein damit, auf digitale Technologien zu setzen, um neue Wege beim Hilfetransfer zu finden. Bereits vergangenes Jahr hat das Welternährungsprogramm ein Pilotprojekt namens Building Blocks begonnen. Dieses Programm zum Geldtransfer an syrische Flüchtlinge in Jordanien nutzt biometrische Identitätsprüfungen und die Ethereum Blockchain. Auch in Brasilien, Georgien, Schweden und auf den Bermudas experimentieren Katas­terämter mit Blockchains, um den Transfer von Eigentum und Landtiteln sicherer und effizienter zu gestalten. Der peruanische Ökonom Hernando de Soto hat sich kürzlich gar für die Einführung eines globalen Blockchain-Katasters ausgesprochen. Und ID2020, ein öffentlich-privates Konsortium, an dem auch Microsoft mitwirkt, wird bald erste Projekte zur sogenannten digitalen Identität umsetzen. Damit sollen Menschen ohne Papiere eine legal anerkannte und fälschungssichere Identität erhalten.

Naht das Ende der konventionellen Entwicklungspolitik?

Blockchain-Befürworter sehen bereits das Ende der konventionellen Entwicklungshilfe nahen. Doch das Unterfangen, Entwicklungsarbeit mit Kryptowährungen und Blockchains zu reformieren, ist kein Selbstläufer. Reformer sollten drei kleine Ratschläge im Kopf behalten, um nicht alte Fehler zu wiederholen und ihre Erfolgschancen zu verbessern.

Erstens: Wissen, was man umwälzen will! Die Hightechwelt stellt schlagkräftige Technologien und Kreativität für Entwicklung bereit. Doch zuweilen ignoriert sie die Besonderheiten der internationalen Hilfe. Der Danida-Bericht etwa fußt auf der Annahme, die größte Aufgabe der Entwicklungsagentur sei, Geldtransfers zu beschleunigen. Doch Entwicklung ist nicht länger eine Frage des Ressourcenflusses von reichen an arme Länder – falls sie das je war. Sozialen, ökonomischen und institutionellen Wandel auf den Weg zu bringen, ist höchst komplex.

Die bestehende Architektur der Entwicklungshilfe mit ihren vielen bilateralen und multilateralen Akteuren, Regeln und Anforderungen und den sich weiter entwickelnden Arten der Intervention spiegelt diese Komplexität. Schnelle Geldüberweisungen mögen im Falle humanitärer Krisen unverzichtbar sein, aber für langfristige Entwicklungsförderung spielen sie eine untergeordnete Rolle. Die Entscheidung, wem wann gegeben werden soll und mit welchem Ziel, ist für Entwicklungshelfer die viel schwierigere Aufgabe als der Ressourcentransfer an sich.

Entwicklung ganz neu fassen

Zweitens: Umwälzen bis auf den Grund! Die Reform der Entwicklungsarbeit sollte die Art und Weise erschüttern, wie über Entwicklung gedacht und wie sie umgesetzt wird – nicht die alten Probleme erneut produzieren. Blockchain und Kryptowährungen mögen neue Technologien sein. Aber wenn damit nur die Voraussetzungen und Kosten von Hilfstransfers verändert werden, wird die Chance verpasst, Entwicklung ganz neu zu fassen – etwa wenn Geber die Richtung vorgeben, Projekte sich doppeln und Koordinierungsprobleme nicht gelöst werden. Es ist etwas ganz anderes, ob man die gleichen Dinge anders macht oder aber etwas ganz anderes tut.

Autoren

Adam Moe Fejerskov

ist Wissenschaftler und forscht unter anderem zu Entwicklungshilfe, Global Governance und zur Bildung globaler Normen.

Tobias Hagmann

ist Privatdozent für internationale Entwicklung und vergleichende Politikwissenschaft an der Roskilde- Universität in Dänemark. Das englische Original des Textes ist erschienen auf www.opendemocracy.net.
Die Gefahr besteht, dass technische Innovationen über die Kernprobleme ökonomische Ungleichheit, Machtstrukturen und soziale Marginalisierung hinwegtäuschen, indem sie eine gut gemeinte, aber hoch problematische Individualisierung fördern. Vermittler ausschalten ist gut, um bei Transaktionen Kosten zu senken. Doch wenn man in Entwicklungsländern den Staat übergeht und Individuen direkt anspricht, unterschätzt man die Bedeutung starker öffentlicher Institutionen sowohl für Rechenschaftspflicht und demokratische Kontrolle als auch für ökonomischen und sozialen Fortschritt. Der Staat mag ein Gegner von Blockchain-Befürwortern sein, aber er ist unersetzlich dafür, Armut zu verringern.

Drittens: Jeder Code braucht einen Kontext. Es mag manche überraschen, aber Entwicklung kann genauso kryptisch und komplex sein wie ein Bitcoin. Die Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit ist voll von guten Absichten, die an zu wenig Verständnis für lokale Gegebenheiten gescheitert sind.

Dies gilt auch für die Einführung neuer Techniken, seien es Dünger, Handys oder die Blockchain-Technologie. Denn Nutzer in verschiedenen Weltteilen verwenden dieselbe Technik unterschiedlich. Ein enges Verständnis von Innovationen wie bei den sozialen Innovationslaboren der Rockefeller-Stiftung, die Fachwissen und Erfahrung abwerten zugunsten von datengestützten und radikalen Neuerungen, wird daher wahrscheinlich keinen Erfolg bringen. Lösungen, die von der Überlegenheit des technischen Wissens ausgehen, die Situation vor Ort vernachlässigen und einheimisches Wissen außen vor lassen, sind zum Scheitern verurteilt. Eigentumsrechte in einer Blockchain niederzulegen sind dafür ein Paradebeispiel: Was nützt es einem Landwirt, dass er mit seinem Smartphone Zugang zu einem Landtitel hat, wenn es keine Polizei oder Ortsbehörde gibt, die diesen Rechtsanspruch durchsetzt?

Die Entwicklungshilfe grundlegend zu verändern, ist ein nobles Ziel. Doch es erfordert eine realistische Strategie, die auf langfristigem Lernen und dem Austausch zwischen Technikentwicklern und Programmierern auf der einen Seite und Entwicklungsexperten, Politikern und anderen Verantwortlichen auf der anderen Seite aufbaut. Dafür müssen in der Entwicklungshilfe Tätige sich mit neuer Technologie vertraut machen, während Blockchain-Befürworter akzeptieren müssen, dass Entwicklungshilfe ein komplexes Gebiet darstellt. Nur dann kann eine echte Umwälzung gelingen – einschließlich einer Neudefinition der Art und Weise, wie Entwicklung gedacht und umgesetzt wird, statt nur alte Ziele mit neuen Methoden zu verfolgen.

Aus dem Englischen von Sophia Allenstein.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2018: Neu ist Kult
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