Seit Monaten sterben jeden Tag Menschen im englischsprachigen Teil von Kamerun. Verhaftungen und Kidnapping sind an der Tagesordnung. Dörfer werden niedergebrannt und ihre Bewohner vertrieben. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass seit Herbst 160.000 Menschen in andere Teile des Landes oder nach Nigeria geflohen sind.
Hintergrund ist die seit Jahrzehnten andauernde Diskriminierung der anglophonen Minderheit im Südwesten des Landes, die etwa ein Fünftel der rund 24 Millionen Einwohner Kameruns ausmacht. Unabhängigkeitsaktivisten haben im Südwestteil des Landes am 1. Oktober 2017 den Staat Ambazonien ausgerufen. Der Name leitet sich von der Amba-Bucht im Golf von Guinea ab. Seither kommen die beiden anglophonen Provinzen Südwest und Nordwest nicht mehr zur Ruhe. Wer hinter der Gewalt steht, ist nicht klar. Die Regierung macht die Rebellen verantwortlich, und diese beschuldigen Polizei und Militär. Der 85-Jährige Staatspräsident Paul Biya, der im Herbst noch einmal gewählt werden möchte, schweigt beharrlich zu den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Südwesten.
Die International Crisis Group, eine renommierte Denkfabrik in Brüssel, hat Ende April in einer Studie die katholische Bischofskonferenz von Kamerun aufgefordert, sich als Vermittlerin in dem Konflikt zur Verfügung zu stellen. Die katholische Kirche repräsentiere mehr als ein Drittel der Bevölkerung, sei im ganzen Land vertreten und habe über ihre zahlreichen Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen großen Einfluss auf die Gesellschaft. „Neben den katholischen Geistlichen gibt es nur wenige erfolgversprechende Friedensstifter“, heißt es in dem Papier. Wenn niemand diese Rolle ausfülle, würden die separatistischen Tendenzen weiter wachsen und weitere Gewalt hervorrufen.
„Die Kirche ist doch genauso gespalten wie das Land“
Den Analysten aus Brüssel ist durchaus bewusst, dass in der kamerunischen Bischofskonferenz verschiedene Meinungen zu dem Konflikt vertreten sind. Deswegen solle die Kirche ihre inneren Gräben überwinden, die frankophonen und anglophonen Bischöfe sollten sich zusammensetzen und eine gemeinsame Neutralitätserklärung abgeben, schlagen sie vor.
Missachtete Minderheit
Die Wurzeln des Konflikts zwischen der Zentralregierung im mehrheitlich frankophonen Kamerun und der anglophonen Minderheit im Südwesten gehen bis in die Kolonialzeit zurück. Die deutsche Kolonie Kamerun wurde ...
Memorandum des anglophonen Klerus wird ignoriert
Im Dezember 2016 hätten die sechs Bischöfe der anglophonen Regionen ein Memorandum zur eskalierenden Gewalt im anglophonen Teil verfasst und an Präsident Biya geschickt. Das Journal der Bischofskonferenz, in dem sonst alle wichtigen Texte aus den Diözesen veröffentlicht würden, habe sich aber geweigert, dieses Memorandum abzudrucken. „Die Vorurteile gegenüber dem anglophonen Kamerun stecken tief in den Menschen drin“, sagt Tufon.
Es geht nicht nur um ein Sprachenproblem. „Viele Bischöfe stehen auf der Seite der Regierung und lassen sich auch von ihr kaufen“, klagt Tufon. Als im April 2017 alle anglophonen Bischöfe von einigen regierungsfreundlichen Eltern verklagt wurden, nicht genug gegen den monatelangen Boykott in den katholischen Schulen zu tun, bekundeten die frankophonen Bischöfe keinerlei Solidarität mit ihren Brüdern, berichtet sie. Sie selbst habe die Hoffnung aufgegeben, dass die katholische Kirche in diesem Konflikt eine Schlichterrolle spielen könne.
Vielmehr sehe sie in Frankreich und Deutschland mögliche Vermittler. „Frankreich ist wirtschaftlich sehr stark in Kamerun vertreten, auch im anglophonen Teil, und hat außerdem politische Interessen.“ Deutschland als wichtigster Partner Frankreichs in der EU solle Paris drängen, seine diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Lösung der Krise zu nutzen, fordert Tufon.
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