Herr Hoffmann, Ihre Partei musste das Entwicklungsministerium 2013 abgeben. Was läuft aus FDP-Sicht seither schief?
Die Politik ist ein Flickenteppich. Es werden ständig neue Nebelkerzen gezündet, die die Bevölkerung beruhigen sollen. Ein Beispiel ist der Marshallplan mit Afrika. Im Original half das große Amerika dem kleinen Deutschland. Auf unserem Nachbarkontinent leben 1,2 Milliarden Menschen. Das Verhältnis passt nicht. Man streut den Menschen Sand in die Augen, was zu erreichen ist. Auch ein Bündnis für fairen Kaffee ist nett, es löst aber nicht das Grundproblem der wirtschaftlichen Situation. Da geht es um strukturelle Weichenstellungen, etwa im EU-Handel. Das Ergebnis der finanziellen und technischen Hilfe ist unbefriedigend.
Setzt der Koalitionsvertrag in der Entwicklungspolitik die richtigen Akzente?
Mich stört, dass relativ wenig Verbindliches drin steht. Es ist 19 Mal von „wollen“ die Rede, das reicht aber nicht. Mir fehlt zudem die Konzentration auf Schwerpunkte und eine klare Leitlinie. Man kann nicht alles überall lösen. So sollten wir uns stärker um Grundbildung in den am wenigsten entwickelten Staaten und um die Bildung von Frauen kümmern. Das ist für die gesellschaftliche Entwicklung unvergleichbar wichtig.
Sie haben unlängst gesagt, Sie würden gerne eine andere Arbeitsteilung und neue Kooperationen sehen. Was meinen Sie damit?
Wir brauchen mehr multilaterale Zusammenarbeit, sie muss Vorrang bekommen vor dem Klein-Klein bilateraler Programme. Die Weltbank macht effektive Programme, die effektiv kontrolliert werden. Ich glaube, europäische Entwicklungszusammenarbeit muss sich neu aufstellen, und auch die Zusammenarbeit der Entwicklungsbanken muss weiter ausgebaut werden. Das erhöht unseren Hebel und die Schlagkraft – sowohl in der Unterstützung unserer Partner wie auch gegenüber anderen Geberstaaten wie China. Auf dessen Rolle in Afrika kann nur die EU glaubhaft eine Antwort geben. Multilaterale Körper stärken gilt auch für die UN-Organisationen. Dass die Flüchtlingskrise begann, weil die Unterstützung für Flüchtlingslager rund um Syrien nicht reichte, hat sogar die Bundeskanzlerin als kapitalen Fehler eingeräumt. Und neue Kooperationen sollen auf lokaler Ebene mit und zwischen Gemeinden entstehen – als natürliche Gegenspieler zum manchmal korruptionsanfälligeren Zentralstaat.
Wie wollen Sie sich mit Ihrer Forderung nach mehr Qualität statt Quantität aus der Opposition Gehör verschaffen?
Wir wollen in der Haushaltsdebatte mehr messbare Ziele einfordern und der Regierung auf die Finger schauen, wie effizient sie arbeitet. Erfolgskontrolle kann man nicht nur auf beschreibende Evaluierungsberichte stützen. Wenn wir die Quote von 0,7 Prozent staatlicher Entwicklungsgelder vom Bruttoinlandsprodukt nicht erreichen, ist das nicht schön, aber es ist nicht alles. Welcher Anteil unserer Bildungsausgaben soll in die Grundbildung gehen? Wie viele Hektar Wald wollen wir aufforsten? Wie viele Investitionen bewegen wir nach Afrika? Wie viele Jobs und Ausbildungsplätze schaffen wir näher am Arbeitsmarkt? Handelspolitisch kann man mit leichterem Warenzugang in die EU mehr Strukturveränderungen erreichen als mit Subventionen.
Bei der Aufforstung ist das Ergebnis mit Satellitenbildern gut zu messen. Ansonsten ist das vielleicht nicht so einfach ...
Ich bin der einzige Förster im Bundestag. In den Erhalt der tropischen Wälder, etwa in Brasilien, hat Deutschland viel Geld gesteckt. Die Bilanz ist ernüchternd. Da muss man auch mal klare Botschaften senden. Für die Erreichung der Klimaschutzziele brauchen wir weltweit mehr Wald, um CO2 zu binden, aber die Flächen haben dramatisch gelitten. Wir müssen sie gemeinsam mit den Partnern durch Aufforstung zurückgewinnen. Dazu gehört auch, dass wir intensiv das Projekt der „grünen Mauer“ unterstützen, einem tausende Kilometer langen Waldgürtel, mit dem elf afrikanische Länder die Ausbreitung der Sahara aufhalten wollen.
Das Gespräch führte Marina Zapf.
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