Gabi Weber.
Was ist aus Ihrer Sicht die größte entwicklungspolitische Errungenschaft im Koalitionsvertrag?
Zwei Dinge: Wir haben die Umsetzung der Agenda 2030 und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als Maßstab des Regierungshandelns festgeschrieben. Das zweite ist die Finanzierung. Als das Sondierungspapier zwei Milliarden Euro Mehrausgaben für Verteidigung und staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bis 2021 vorsah, war klar: Das könnte unsere Ansprüche nicht erfüllen. Nun ist klar, dass zusätzliche Spielräume genutzt und jeder Euro für Verteidigung durch einen Euro für Entwicklung, humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention ausgeglichen werden muss.
Was heißt das konkret für den Entwicklungshaushalt, wenn für Verteidigung in der mittelfristigen Finanzplanung bereits neun Milliarden Euro Mehrausgaben vorgesehen sind?
Es ist richtig, dass Verteidigungsausgaben stärker steigen werden. Es soll aber in beiden Bereichen eine weitere Erhöhung geben. Und die Eins-zu-Eins-Bindung stellt hier stärker als bisher Mehrausgaben für Entwicklungspolitik sicher. Ich halte im Übrigen nichts davon, unsere Verantwortung für Sicherheits- und Entwicklungspolitik gegeneinander zu diskutieren. Ja, um das Ziel von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen, wird es harte Verteilungskämpfe geben. Aber für einen konkreten schrittweisen Aufwuchs hätte der bisherige Minister sich früher ins Zeug legen müssen. Da müssen wir Versäumnisse aufholen. Genauso war es ein wichtiger Schritt, eine stärkere Zusammenarbeit mit den ärmsten Ländern zu verankern und möglichst schnell 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen. Das war überfällig.
Zur Flüchtlingspolitik: Wie wollen Sie verhindern, dass Entwicklungszusammenarbeit nur noch als Mittel zur Bekämpfung von Fluchtursachen gesehen wird?
Wir werden schon darauf achten, dass unsere Politik nicht nur auf Zäune fixiert ist. Wir wollen die Entwicklungszusammenarbeit verbessern, das Welternährungsprogramm stärker ausstatten, um Flucht aus Lagern einzudämmen. Eine neue Kommission im Bundestag soll über Fluchtursachen ganzheitlich nachdenken: Da geht es auch um bi- und multilaterale Arbeitsteilung sowie um Fragen der Ernährung, der Bildung, von Steuerdumping, Rechtstaatlichkeit oder Polizeimissionen in der Krisenbewältigung. Um Konfliktursachen zu bekämpfen, wollen wir auch Instrumente der Krisenprävention prominenter und klarer einfordern, wie dies gerade in Kamerun notwendig ist. Und schließlich setzen wir auf eine faire Landwirtschafts- und Handelspolitik, um die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern.
Glauben Sie, diese Ansprüche werden sich mit den von der Union geführten Wirtschafts- und Agrarressorts durchsetzen lassen?
Die Schwierigkeit, dass ein Wirtschaftsministerium viele Dinge anders sieht, räume ich ein. Aber auch wo Verträge europäisch ausgehandelt werden, wollen wir den Einfluss der Entwicklungspolitik geltend machen. Und wir haben Elemente in den Vertrag verhandelt, gegen die die CDU sich gewehrt hat. So sollen in allen EU-Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen nicht nur verbindliche soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards vereinbart werden, sondern auch Beschwerdemechanismen. Das gilt auch für Zollvergünstigungen gegenüber Entwicklungsländern. Es geht darum, bei Verstößen gegen menschenwürdige Arbeitsbedingungen für eine gewisse Zeit Marktzugänge zu schließen.
Sie sagen, die Agenda 2030 wird Richtschnur allen Regierungshandelns. Wie soll das gehen?
Das ist noch nicht konkret. Wir überlegen in der SPD, mit Vertretern aller Ausschüsse einen ständigen Arbeitskreis einzurichten, der sich alle vier bis sechs Wochen austauscht. Mittelfristig könnte man so etwas zwischen den Ministerien erreichen, um auch die Finanz-, Justiz- und Ernährungspolitik einzubeziehen. Die nachhaltigen Entwicklungsziele werden noch zu sehr der Entwicklungspolitik zugeschoben.
Das Gespräch führte Marina Zapf.
Neuen Kommentar hinzufügen