Menschenrechtler und Oppositionelle reagierten entsetzt: An diesem Tag sei die Demokratie in Kambodscha gestorben, kommentierten sie die Auflösung der Cambodian National Rescue Party (CNRP) durch die obersten Richter des Landes. Der Totengräber, Premierminister Hun Sen, der das Land seit 32 Jahren regiert, hat einen weiteren Schritt zur Alleinherrschaft getan. Beim Urnengang im kommenden Jahr muss er nun die Konkurrenz der CNRP nicht mehr fürchten, die in den Kommunalwahlen in diesem Sommer beachtliche Erfolge erzielt hat. Ihr Präsident Kem Sokha sitzt seit September wegen Verrats im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen, er wolle mit der Hilfe der USA an die Macht kommen.
Bereits seit Jahren beschneidet Hun Sen systematisch die Presse- und Meinungsfreiheit und drangsaliert Opposition und Zivilgesellschaft. Europa und die USA haben ihm bislang vor allem starke, aber wenig wirksame Worte entgegengesetzt. Doch dieses Mal könnte Hun Sen zu weit gegangen sein. Schließlich haben westliche Geber in den vergangenen zwei Jahrzehnten Milliarden US-Dollar ausgegeben, um in dem asiatischen Land ein Mehrparteiensystem aufzubauen. Für die Wahlen 2018 haben die USA nun sämtliche Finanzhilfen gestrichen. Schweden, der drittgrößte bilaterale Geber in der Europäischen Union (EU), hat angekündigt, mit Ausnahme von Bildung und Forschung keine neuen Entwicklungsprogramme in Kambodscha mehr zu finanzieren.
Die EU muss sich trauen
Doch die EU hat ein viel wirksameres Druckmittel als den Stopp von Entwicklungshilfe: Handelssanktionen. Die größte Hilfe für Kambodscha kommt längst aus China, das Hun Sens Vorgehen ausdrücklich billigt. Beim Handel hingegen ist Kambodscha auf die USA und die EU angewiesen. Dorthin gehen zwei Drittel seiner Exporte, vornehmlich aus der Textilindustrie.
Ein Sprecher der EU hat schon betont, Respekt vor den grundlegenden Menschenrechten sei die Voraussetzung, dass Kambodscha weiter vom zollfreien Handel mit der EU unter dem Programm „Alles außer Waffen“ profitieren könne. Auch manche Vertreter der Opposition sehen Sanktionen inzwischen als bestes Pfand für Verhandlungen, um doch noch faire und freie Wahlen zu bekommen; bislang hatten sie stets vor den schädlichen Folgen für die Textilarbeiter gewarnt. Jetzt muss sich die EU nur noch einigen – und trauen.
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