Ausländischer Besuch ist für Brot für die Welt nichts Besonderes. Päpste und Patriarchen schauen aber eher selten in der Caroline-Michaelis-Straße in Berlin-Mitte vorbei. Auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) waren Mitte Oktober der syrisch-orthodoxe Patriarch Ignatius Afrem II., der armenisch-apostolische Katholikos Karekin II., der indisch-orthodoxe Katholikos Baselios Marthoma Paulose II. und der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II. nach Berlin gekommen. Sie wollten ihren Aufenthalt auch für ein Gespräch mit den Verantwortlichen in Europas größtem kirchlichem Hilfswerk nutzen.
Die altorientalischen Kirchen sind alle in Ländern beheimatet, in denen es einen hohen Bedarf an Not- und Entwicklungshilfe gibt. Wie schwer es manchmal ist, diese von Deutschland aus zu leisten, wurde am Beispiel Syrien deutlich. Als der Patriarch aus Damaskus wissen wollte, mit welchen Partnern Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe in seinem Land zusammenarbeiten, traf er einen wunden Punkt. Zwar unterstützt die Diakonie Katastrophenhilfe in erheblichem Umfang syrische Flüchtlinge in den Anrainerstaaten Jordanien, Libanon und Türkei sowie auf dem Balkan und in Griechenland. Seit Beginn des Krieges 2011 sind mehr als 48 Millionen Euro in diese Hilfe geflossen. Doch in Syrien selbst hat das Hilfswerk nur sehr wenige Partner, mit denen es zusammenarbeiten kann.
Syrien war vor dem Krieg kein Entwicklungsland
So erklären sich auch die Zahlen aus den Jahresberichten. 2015 hatte Brot für die Welt in Syrien nur ein Projekt mit einem Gesamtvolumen von gut 1,5 Millionen Euro auf drei Jahre bewilligt. 2016 kein einziges. Und die Diakonie Katastrophenhilfe unterstützte im vergangenen Jahr laut Jahresbericht 2016 in dem Bürgerkriegsland nur ein Projekt mit knapp 200.000 Euro. Für das laufende Jahr, teilte das Werk auf Anfrage mit, seien immerhin 1,2 Millionen Euro für zwei Projekte in Aleppo und Homs eingestellt.
Dass man in Syrien nicht gut aufgestellt sei, gaben die Vertreter des Hilfswerks bei dem Gespräch dann auch unumwunden zu. Dieser Missstand mache ihnen zu schaffen, sagte die Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Zu erklären sei das aber vor allem damit, dass Syrien vor dem Krieg kein Entwicklungsland gewesen sei und man dort keine Partner hatte. Als der Krieg ausbrach, sei es schwierig gewesen, Partner für große Nothilfeprojekte innerhalb des Landes zu finden. Es sei unerträglich für eine humanitäre Organisation, dass der Zugang zu hunderttausenden Hilfebedürftigen in Syrien in den vergangenen Jahren nicht möglich war, so Füllkrug-Weitzel.
Die Gäste aus dem Bürgerkriegsland waren mit dieser Antwort nicht zufrieden. Schließlich leisten sie seit Ausbruch des Krieges humanitäre Hilfe vor Ort und hatten immer wieder auf Unterstützung aus dem Ausland gehofft. Allerdings verfügen sie oft nicht über die Strukturen, um mit einem so großen Entwicklungswerk wie Brot für die Welt oder der Diakonie Katastrophenhilfe zusammenarbeiten zu können. Auch seien keine konkreten Projektanträge aus Syrien in Berlin eingegangen, ließ das Werk auf Nachfrage wissen. Um die Hilfe in Syrien künftig besser zu organisieren, wolle man im kommenden Jahr ein Regionalbüro in Amman (Jordanien) eröffnen. Von dort aus könnten Besuche bei potenziellen Partnern in Syrien leichter bewerkstelligt und eine bessere Vernetzung vor Ort aufgebaut werden.
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