Seit den 1980er Jahren können die Geberländer bestimmte Kosten, die ihnen aus der Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, als Entwicklungshilfe verbuchen. Vor allem nichtstaatliche Hilfsorganisationen kritisieren das seit langem. Sie argumentieren, es handele sich um „Phantomhilfe“, da das Geld nicht zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern beitrage, sondern in den Geberländern ausgegeben werde.
Neben dieser generellen Kritik gibt es das Problem, dass die Geber unterschiedlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Einige verzichten ganz darauf, Flüchtlingskosten in ihre öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) einzurechnen, bei anderen sind sie ein zentraler Posten in der ODA-Bilanz. Das hat zur Folge, dass die ODA-Statistiken der Geber nur begrenzt miteinander vergleichbar sind.
Seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen in den vergangenen zwei Jahren hat sich das Problem verschärft. Der OECD-Entwicklungsausschuss (DAC) hat deshalb auf einem sogenannten hochrangigen Treffen der zuständigen Minister und Ministerinnen Ende Oktober in Paris die Regeln präzisiert, unter denen die Geber Flüchtlingskosten als ODA verbuchen können – angefangen mit der Frage, für welche Flüchtlinge diese Möglichkeit überhaupt bestehen soll.
Berufliche Bildung zählt nicht
Denn auch das haben die Geber bislang unterschiedlich gehandhabt: Manche haben nur die Kosten für noch nicht anerkannte, andere auch für anerkannte Asylbewerber eingerechnet. Nach den neuen Regeln ist das nur noch für Flüchtlinge mit internationalem Schutzstatus und für Asylbewerber möglich, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde.
Anrechenbar sind demnach Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung und Gesundheitsversorgung sowie für grundlegende Bildung, etwa für den Schulbesuch von Kindern. Hinzu kommen Verwaltungskosten, sofern sie aus der Grundversorgung der Flüchtlinge und Asylbewerber entstehen. Kosten, die auf die Integration zielen, etwa für berufliche Bildung, sind jedoch keine Entwicklungshilfe. Es dürfen nur die Ausgaben der ersten zwölf Monate nach der Aufnahme eines Flüchtlings berücksichtigt werden, selbst wenn ein mögliches Asylverfahren dann noch nicht abgeschlossen ist.
Um dem generellen Einwand von Hilfsorganisationen gegen die Anrechnung von Flüchtlingskosten zu begegnen, haben die DAC-Mitglieder zudem die Begründung dafür noch einmal präzisiert. Die Unterstützung von Flüchtlingen sei „humanitär“ motiviert und diene dazu, „die Würde und die Menschenrechte“ der Begünstigten zu schützen.
Streitpunkt Privatinvestitionen
Eine zweite in Paris beschlossene Reform der ODA-Kriterien geht auf eine Initiative der britischen Regierung zurück. London wollte im September seine vom Hurrikan Irma schwer getroffenen Überseegebiete in der Karibik finanziell unterstützen, musste aber feststellen, dass es diese Hilfe nicht als ODA verbuchen kann: Die Gebiete sind zu wohlhabend und stehen nicht auf der DAC-Liste der Empfängerländer. In Paris beschlossen die Ausschussmitglieder nun, Ausnahmeregeln für solche Fälle zu formulieren. Zudem soll ein Verfahren gefunden werden, nach dem Länder, die einmal von der DAC-Liste gestrichen wurden, wieder aufgenommen werden können, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert.
Darüber hinaus beschäftigten sich die Entwicklungsministerinnen und -minister damit, wie private Investoren in die Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden können. Der OECD-Entwicklungsausschuss berät schon seit einigen Jahren darüber, in welchem Rahmen öffentliche Fördermittel zur Mobilisierung privater Investitionen in Entwicklungsländern als ODA anerkannt werden sollen. Eine Möglichkeit ist das sogenannte „blending“: Geber stellen Mittel für Investitionen bereit, etwa für die Energieversorgung, und setzen darauf, dass private Investoren in die Projekte einsteigen.
In Paris verständigten die DAC-Mitglieder sich auf Prinzipien, die beim „blending“ beachtet werden sollen. So soll öffentliche Entwicklungshilfe nur eingesetzt werden, wenn ohne sie die privaten Investitionen nicht zustande kämen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Investition entwicklungspolitische Kriterien erfüllt.
Nicht einigen konnten sich die DAC-Mitglieder in der Frage, inwieweit die direkte Förderung von Unternehmen als ODA angerechnet werden darf. Das betrifft zum Beispiel Kreditausfallbürgschaften für Unternehmen aus den Geberländern, die Geschäfte in Entwicklungsländern machen. Oder Darlehen für Betriebe in Entwicklungsländern, wie sie etwa die KfW-Tochter DEG vergibt. Grundsätzlich gilt: Wenn überhaupt, dann soll bei solchen Förderinstrumenten nur der öffentliche Zuschussanteil als Entwicklungshilfe verbucht werden dürfen.
Dieser wird aus mehreren Faktoren errechnet wie der Laufzeit eines Kredits oder einer Bürgschaft, der Verzinsung und dem sogenannten Abzinsfaktor, der die potentielle Rendite bemisst, die ein Kreditnehmer aus dem Kapital erzielt. Über diese Berechnung konnten die DAC-Mitglieder keinen Konsens herstellen, so dass das ganze Thema vertagt werden musste.
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