Wer darf rein?

Einwanderungsgesetz
Unter einer möglichen schwarz-gelb-grünen Regierung könnte Deutschland ein Einwanderungsgesetz bekommen. Wie müsste es aussehen, damit es nicht nur dem deutschen Arbeitsmarkt, sondern auch den Herkunftsländern dient?

Die Grünen wollen es, die FPD sowieso, auch CDU und CSU sind nicht mehr abgeneigt: Sollten sich die vier Parteien auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen, stehen die Chancen gut, dass Deutschland demnächst per Gesetz zum Einwanderungsland wird. Mehr Menschen von außerhalb der EU könnten dann ganz legal nach Deutschland kommen und sich hier einen Job suchen.  

Von der gesteuerten Zuwanderung profitieren sollen deutsche Firmen, die freie Stellen in Industrie, Handwerk und Pflege besetzen wollen. CDU/CSU sprechen deshalb von einem „Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“, mit dem Lücken auf dem deutschen Arbeitsmarkt geschlossen werden sollen. Die FDP will sich am kanadischen Punktemodell orientieren, bei dem Bewerber nach verschiedenen Kriterien eingestuft werden. Die Grünen wollen zusätzlich auch Geringqualifizierten eine Chance geben.

Der entwicklungspolitische Dachverband VENRO fordert die Politik in einem Positionspapier dazu auf, die Auswirkung der Arbeitsmigration auf die Herkunftsländer stärker zu berücksichtigen. Die Zuwanderung könne langfristig dazu beitragen, dass sich die Verhältnisse in den Herkunftsländern verbesserten, etwa durch die Rücküberweisungen der Migranten und den Austausch von Wissen. Zudem könnten die übersättigten Arbeitsmärkte in Entwicklungsländern teilweise entlastet werden.

Entscheidend ist, wer kommen darf – und wer weiterhin außen vor bleibt. Gefragt sind hierzulande vor allem gut ausgebildete Fachkräfte, an denen es aber auch in vielen Entwicklungsländern mangelt. Kommen sie nach Deutschland, fehlt ihre Arbeitskraft möglicherweise in der Heimat. „Brain drain“ nennen Fachleute das.

Aus Ländern mit einer schlechten Gesundheitsversorgung etwa sollten keine Ärzte angeworben werden, sagt Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender von VENRO. Man müsse die Arbeitsmärkte in den Entsendeländern in den Blick nehmen. Dann könnten gezielt Arbeitnehmer aus bestimmten Regionen mit verschiedenen Qualifikationen angeworben werden, ohne den Herkunftsländern zu schaden. Die Zuwanderung im Rahmen eines künftigen Einwanderungsgesetzes sollte deshalb nicht alleine vom Wirtschaftsministerium gestaltet werden.

Zirkuläre Migration

Sinnvoll sei zudem, weniger gut ausgebildeten Menschen die Jobsuche in Deutschland zu ermöglichen, meint Bornhorst. Beispielsweise in der Pflege oder Landwirtschaft. Allerdings müssten dann die gleichen Arbeitsstandards für alle Arbeitnehmer gelten. Zudem fordert Bornhorst flexiblere Regeln: „Wir müssen weg von der Idee, dass Arbeitsmigration etwas Lineares ist.“ Einwanderer sollten sich freier zwischen Deutschland und ihren Heimatländern bewegen können, ohne nach einer Rückkehr das Aufenthaltsrecht zu verlieren.

Rahime Diallo vom Berliner Diaspora Policy Institute sieht in dieser zirkulären Migration großes Potenzial. Er schlägt vor, Kontingente für junge Menschen aus bestimmten Ländern zu schaffen, und ihnen eine handwerkliche Ausbildung oder ein duales Studium in Deutschland ermöglichen. Anreize wie eine Starthilfe für eigene Betriebe könnten dafür sorgen, dass die ausgebildeten Fachkräfte später in ihre Herkunftsländer zurückkehren und dort die Wirtschaft stärken.

Das sei auch im Interesse deutscher Unternehmen, meint Diallo: Sie bräuchten Kandidaten für ihre Ausbildungsplätze, auch wenn die Beschäftigten danach nicht bleiben. Zudem müsse die Ausbildung in den Herkunftsländern verbessert werden. Dabei stünden auch deutsche und internationale Firmen in der Pflicht, die dort nicht nur Geschäfte machen, sondern auch ausbilden sollten, sagt Diallo.

Unterschwelliger Rassismus

Insgesamt wünscht sich Rahime Diallo einen Kulturwandel. Migranten aus Afrika würden vor allem als Bedrohung wahrgenommen. Selbst für Geschäftsleute sei es häufig sehr schwierig, ein Visum für Deutschland zu erhalten, weil die Behörden befürchteten, sie könnten einen Asylantrag stellen. Für Diallo kommt darin unterschwellig Rassismus zum Ausdruck. Dieser zeige sich in Deutschland schon in der Benennung der Zuwanderer. „Warum gilt ein Schwede als ,Expat‘, ein Senegalese aber als ,Migrant‘?“

Einig sind sich Fachleute, dass die entwicklungspolitischen Effekte der Arbeitsmigration ohne zusätzliche begleitende Maßnahmen verpuffen. Michael Clemens vom Center for Global Development skizziert am Beispiel syrischer Flüchtlinge in der Türkei, wie internationale Ausbildungspartnerschaften die Arbeitsmigration ergänzen könnten. Er schlägt vor, syrische Flüchtlinge mit deutschem Geld in der Türkei zu Gesundheitspflegern auszubilden, die dann teilweise in Deutschland und der Türkei arbeiten könnten – und langfristig auch wieder in ihrer Heimat Syrien. Das Modell ließe sich auch auf andere Länder übertragen, meint Clemens.

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