Unternehmen und Politik hinken hinterher

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Die Divestment-Bewegung ist von ihrem Erfolg eingeholt worden: Die Nachfrage nach ethischer Geldanlage steigt, doch zu wenige Unternehmen in der Realwirtschaft erfüllen die Anforderungen ethischer Anleger. Rechtsverbindliche Leitlinien für Unternehmen würden helfen.

Vor zehn Jahren hat Brot für die Welt gemeinsam mit dem Südwind Institut für Ökonomie und Ökumene das Konzept für einen entwicklungspolitisch ausgerichteten Nachhaltigkeitsfonds erarbeitet. Auslöser war die Finanzkrise, unter der insbesondere Arme massiv zu leiden hatten und die eine Folge unethischen wirtschaftlichen Verhaltens war. In Zusammenarbeit mit ethisch orientierten Banken gelang es, einen an unseren Kriterien orientierten Publikumsfonds ins Leben zu rufen, der 2010 als FairWorldFonds von Union Investment aufgelegt wurde. Der FairWorldFonds legt großen Wert nicht nur auf ökologische, sondern auch auf soziale Nachhaltigkeit. Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind die Leitwerte, an denen sich die Anlageentscheidungen orientieren.

Die damalige Einschätzung, dass die Nachfrage nach ethischen Geldanlagen steigen würde, hat sich als richtig erwiesen: Sie steigt noch immer rasant. Allein im deutschsprachigen Raum stieg das Gesamtvolumen für nachhaltige Geldanlagen in den letzten zwei Jahren von 197,5 auf 419,5 Milliarden Euro. Die Divestment-Bewegung mit ihrer Forderung, Gelder aus klimaschädlichen Investitionen, insbesondere Kohle, Öl und Gas, abzuziehen, hat diese Dynamik gesteigert. Immer mehr institutionelle und öffentliche Investoren folgen dem Aufruf.

Wohin mit dem Geld?

Doch mit dem Abzug der Gelder aus klimaschädlichen Investitionen stellt sich die Frage: Wohin dann mit dem Geld? Nur wenn Divestment Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie ist, wird diese volle Wirkung entfalten.

Finanzinstitute bemühen sich nach Kräften, die steigende Nachfrage zu bedienen. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an grünen und ethischen Finanzprodukten: von grünen Sparbüchern über Festgeld bis hin zu nachhaltigen Fonds. Auch neue Anlageformen wie beispielsweise Green Bonds (Anleihen, die ausschließlich für „grüne“ Projekte verwendet werden) werden geschaffen.

Das Wachstum des Markts für ethische Geldanlagen stößt aber an eine Grenze: Der Kapitalmarkt kann nur so klimafreundlich und sozial verantwortlich sein, wie es auch Unternehmen in der Realwirtschaft sind. Leider ist die Anzahl an wirklich nachhaltigen und sozial verantwortlichen Anlagemöglichkeiten aber stark begrenzt. Dies zeigen auch die derzeitigen Erfahrungen des FairWorldFonds: Er hat sich zu einem der größten Nachhaltigkeitsfonds in Deutschland entwickelt und birgt noch viel Wachstumspotential.

Die Suche nach Unternehmen, die nicht gegen seine Ausschlusskriterien verstoßen, einen Beitrag zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung leisten und gleichzeitig auch die notwendigen Marktkriterien erfüllen gestaltet sich aber extrem schwierig. Viele börsennotierte Unternehmen fallen aufgrund von Intransparenz und vor allem schlechter Arbeitsbedingungen heraus. Daher hat der Fonds zum 1. Juni 2017 ein sogenanntes ‚Soft Closing‘ beschlossen, das heißt, es werden bis auf Weiteres keine Anteilsscheine mehr ausgegeben, kein weiteres Kapital mehr angenommen.

Einen Platz in der Realwirtschaft finden

Ein ungewöhnlicher Schritt, aber die Marktsituation gab weitere Investitionen unter den strikten Bedingungen nicht her. Denn jeder Euro, der nachhaltig und sozial verantwortlich angelegt sein will, muss irgendwo in der Realwirtschaft einen Platz finden. Die aber hinkt der Bereitschaft der Investoren hinterher, denn sie ist nicht durch gesetzliche Vorgaben, sondern weiterhin nur auf der Basis freiwilliger Selbstverpflichtungen an die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards und Arbeitsnormen gebunden. Peinlich für die Unternehmen, peinlich für die Politik, die sich geweigert hat, rechtsverbindliche Leitlinien für Unternehmen zu beschließen – zum Beispiel im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte.

Das kann sich ändern, wenn sich Anleger weiter so eindeutig verhalten. Investoren können ihren Einfluss als Kapitalgeber nutzen, um Veränderungen mit herbeizuführen, und sich verstärkt mit Unternehmen in den Dialog begeben. Nach wie vor gibt es für Finanzprodukte auch keinen gesetzlich geschützten Nachhaltigkeitsbegriff – was die Gefahr birgt, dass dieser bis zur Unkenntlichkeit weiter ausgedehnt wird. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, Mindeststandards und Transparenzregeln einzuführen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2017: Kongo: Das geschundene Herz Afrikas
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