Mit den Armen gelebt

Bewegungsmelder
Wir fragen Menschen aus der Szene, was sie bewegt und was sie wütend macht. Dieses Mal: Sabine Ferenschild, Textilexpertin beim Südwind-Institut.

Was treibt Sie an und was macht Sie wütend?
Im Februar habe ich im Rahmen eines Exposure- und Dialogprogramms bei einer indischen Familie in Rajasthan in einer Lehmhütte gelebt. Darin gab es nichts Überflüssiges. Alles wurde gebraucht. Mutter, Vater und vier Kinder waren den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigt als der Suche nach Lohn und Brot. Das hat mir – wieder einmal – deutlich gezeigt, dass die enorme Kluft zwischen Armut und Reichtum ein großes Unrecht ist, das wir nicht zulassen dürfen. Wer das ernst nimmt, muss etwas tun!

Wen würden Sie mit dem alternativen Nobelpreis auszeichnen?
Eigentlich die Internationale Arbeitsorganisation ILO – für ihre Anstrengungen, weltweit die Bedingungen zu verbessern, unter denen Menschen arbeiten. Da sie aber schon einmal (1969) den Friedensnobelpreis bekommen hat, schlage ich die indische Organisation Prayas vor. Sie begleitet benachteiligte Menschen bei Rechtsstreitigkeiten und ist dabei eine sehr wirkungsvolle Graswurzelorganisation.

Mit wem würden Sie gerne einmal streiten?
Mit allen, die meinen, existenzsichernde Löhne würden Arbeitsplätze vernichten. Und mit denen, die es in Ordnung finden, wenn Kinder auf Feldern und in Fabriken schuften, statt zur Schule zu gehen.

Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?
Wenn unsere Zusammenarbeit mit örtlichen Partnern vertrauensvoll und wirksam funktioniert, so wie seit nunmehr drei Jahren mit Prayas in Indien, macht mich das zufrieden und auch stolz. Dann habe ich das gute Gefühl, dass unser persönlicher und inhaltlicher Austausch auch etwas Greifbares bewirkt – zum Beispiel, dass sich die Arbeitsbedingungen in einer Region für die Menschen tatsächlich bessern.

Was ist schief gegangen und wieso?
Wenn wir keine Möglichkeit haben, solch fruchtbare Partnerschaften einzugehen, verpuffen unsere Anstrengungen. So wie beispielsweise in China. Die Regierung in Peking untersagt nichtstaatlichen Organisationen weitgehend den Austausch mit internationalen Partnern. Wenn wir dort Arbeiter befragen wollen, können wir das nur über Mittelsleute aus Hongkong tun. Die sind aber zum einen sehr überlastet von den vielen Anfragen aus aller Welt. Zum anderen wird ihr Handlungsspielraum auch immer enger. Das macht es sehr schwer, sich ein zutreffendes Bild von der Situation vor Ort zu machen oder konstruktive Vorschläge zu unterbreiten. Da gehen unsere Anstrengungen dann auf eine traurige Art ins Leere.

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2017: Die Wüste lebt
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