"Eine große grüne Mauer bauen"

Zum Thema
Wüstenbildung
Die Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD) soll die Wüstenbildung aufhalten. Marcos Montoiro vom UN-Wüstensekretariat in Bonn erklärt, wo die Gefahr am größten ist und wie die Rechte der Nomaden geschützt werden können.

Wie definieren die Vereinten Nationen die Wüstenbildung?
Wüstenbildung ist Landverödung in trockenen und wasserarmen Gebieten. Landverödung findet überall statt, aber von Wüstenbildung sprechen wir nur in diesen Gegenden. Land verödet aus verschiedenen Gründen, vor allem aufgrund menschlicher Aktivitäten, etwa durch eine nicht-nachhaltige Landwirtschaft. Andere Gründe sind klimabedingte Veränderungen: Die derzeitige Dürre in Ostafrika trägt ebenfalls zur Wüstenbildung bei. Aber auch das Gegenteil kann passieren: Zu viel Regen kann die obere Bodenschicht wegschwemmen und das Land unbrauchbar werden lassen. Die Trockengebiete, bei denen wir von Wüstenbildung sprechen, bedecken ungefähr 40 Prozent des Planeten. Dort leben fast zwei Milliarden Menschen.

Welche Gebiete sind zurzeit am meisten von Wüstenbildung bedroht?
Die Konvention bezog sich ursprünglich auf Afrika. Die gravierenden Dürren in der Sahelzone in den 1970er Jahren haben die internationale Gemeinschaft dazu veranlasst, sich mit der Wüstenbildung zu befassen. Inzwischen sind auch andere Regionen gefährdet, etwa Zentralasien, China oder die Mongolei. Dasselbe gilt für Australien und Teile Lateinamerikas und der Karibik. Wüstenbildung ist ein weltweites Problem. Am schwerwiegendsten ist sie noch immer im Sahel. Die derzeitige Dürre ähnelt denen in den 1970er Jahren, bei denen Millionen Menschen fliehen mussten. Das geschieht aktuell in Äthiopien, Eritrea  und in der Region des Tschadsees. Die Lage wird verschärft durch das Bevölkerungswachstum in der Region und den Schrecken, den islamistische Extremisten wie Boko Haram oder der Islamische Staat verbreiten.

Breitet sich die Sahara wirklich in Gebiete aus, die zuvor keine Wüste waren?
Man muss hier zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist die Wüste als ein spezifisches Ökosystem, das andere ist die Landverödung. Wüsten waren schon immer da und dagegen können wir nichts tun. Wir kümmern uns um die Wüstenausläufer, die Grenzregionen, in denen Menschen versuchen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele Projekte haben zum Ziel, die Wüste vom Eindringen in diese Grenzregionen abzuhalten. Eines von ihnen ist die Große Grüne Mauer der Sahara und der Sahelzone: Damit soll eine natürliche Barriere vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten entstehen, vor allem mit Hilfe von Bäumen und Projekten der Agrarforstwirtschaft. Damit sollen zugleich Arbeitsplätze und für die Bevölkerung Möglichkeiten des Lebensunterhaltes geschaffen werden.

Menschen leben seit Tausenden Jahren in trockenen Regionen. Warum ist ihre Art der Landnutzung heutzutage ein Problem?
Nehmen Sie den Pastoralismus in der Sahelzone. Die Lebensweise der Viehhirten war über Hunderte Jahre sehr nachhaltig. Das hat sich jedoch geändert, unter anderem aufgrund der Staatsgrenzen, die nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten gezogen wurden. Diese Grenzen machen es Hirten schwer, sich frei mit ihren Herden zu bewegen. So kommt es, dass sie bestimmte Gebiete überweiden.

Einige Regierungen finden die Lebensweise der Pastoralisten rückständig und wollen sie „modernisieren“. Wie gehen Sie damit um?
Wir unterstützen viele Staaten darin, ihr Land nachhaltig zu bewirtschaften, den Pastoralismus eingeschlossen. Mali und der Iran haben Gesetze erlassen, um die Hirten zu schützen. Die Indigenen nutzen die Wüsten-Konvention, um ihre Lebensweise zu bewahren, die sie seit Jahrhunderten praktizieren. Wir können ihnen helfen, Schutz auf nationaler Ebene zu bekommen. Wir können die Stimmen der zivilgesellschaftlichen Organisationen einbringen. Bei den Konferenzen der Vertragsstaaten geben wir den Indigenen und den Pastoralisten eine Plattform, damit sie ihre Anliegen selbst vortragen können. Zudem versuchen wir, die Staaten zusammenzubringen, die ein gemeinsames Interesse daran haben, herauszufinden, wie sie ihre nomadische Bevölkerung schützen können.

Die Zusammenarbeit mit NGOs ist wichtig für Sie?
Ja. Religiöse Gruppen etwa werden seit kurzem immer wichtiger. Sie können die Menschen sensibilisieren und sie verknüpfen den Landschaftsschutz mit spirituellen Aspekten. In vielen Ländern hören die Menschen besser auf religiöse Führer als auf ihre Regierung.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo es gelungen ist, die Wüstenbildung aufzuhalten?
Ja, ich erwähnte schon die Große Grüne Mauer der Sahara und der Sahelzone, die derzeit in 14 Ländern umgesetzt wird. Das hängt mit einer Initiative der afrikanischen Staaten zusammen, die „3 S“ genannt wird – das steht für security (Sicherheit), stability (Stabilität) und sustainability (Nachhaltigkeit). Das Ziel ist, die betroffenen Gebiete zu stabilisieren, Fluchtursachen zu bekämpfen und Arbeitsmöglichkeiten für die Leute vor Ort zu schaffen. Wir unterstützen unterschiedliche Projekte dieser Initiative in verschiedenen Ländern, darunter Senegal, Mali und Niger. Darüber hinaus unterstützen wir in einer sehr trockenen Region in Argentinien, der Gran Chaco Americano, Projekte in der Agroforstwirtschaft und Baumschulen, mit einem Fokus auf junge Menschen. Damit wollen wir Einkommensquellen schaffen und Zwangsmigration vermeiden.

Fördern Sie die Süd-Süd Kooperation?
Es ist Ziel der Konvention, dass Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig helfen können. China verwirklicht beispielsweise ein Projekt, das der Großen Grünen Mauer in der Sahara gleicht.

Sind Geber immer noch so stark an der Wüstenbildung interessiert wie 1994, als die UNCCD vereinbart wurde?
Während der langen Dürreperiode in der Sahelzone in den 1970er Jahren, bekamen viele Leute Angst und das Thema schaffte es in die Medien. Dann gab es eine große Konferenz, auf der die Geber Verpflichtungen eingegangen sind. Das hat nicht funktioniert, weil sich die Lage in der Sahelzone verbesserte. Dann wurden 1992 auf dem Weltgipfel in Rio zwei globale Konventionen verabschiedet, die eine über den Klimawandel und die andere über Biodiversität. Die afrikanischen Staaten bestanden darauf, sich mit Wüstenbildung und Dürren zu befassen. Deshalb wurde zwei Jahre nach Rio die UNCCD fertig gestellt. Im Gegensatz zu den beiden anderen Konventionen hatte sie jedoch keinen Finanzierungsmechanismus. Es dauerte zehn Jahre, um das zu ändern und die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass die Wüstenbildung ein so ernstes globales Problem wie der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität ist. Dann dauerte es wieder einige Zeit, um das Thema wieder oben auf die internationale Tagesordnung zu setzen. Dank der Agenda 2030 und ihrem Unterziel zur Landverödung ist es nun wieder äußerst relevant.

Wie hat die UNCCD das erreicht?
Heutzutage ist die Verbindung zwischen Klimawandel und Wüstenbildung eindeutig. Auch die Verbindung zwischen Landverödung, Sicherheit und Konflikt ist offenkundig. 40 Prozent der innerstaatlichen Konflikte in den vergangenen Jahren stehen in Zusammenhang mit Land oder natürlichen Ressourcen, und dieser Anteil nimmt zu. In Syrien herrschte zwei Jahre, bevor der Krieg ausbrach, eine große Dürre. Millionen Menschen zogen vom Land in die Städte, das erhöhte die Spannungen im Land.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2017: Die Wüste lebt

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