Der konservative EU-Parlamentarier Markus Pieper will, dass von Brüssel geförderte nichtstaatliche Organisationen stärker kontrolliert werden. In einem Bericht, der Ende März im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments erstmals diskutiert wurde, fordert Pieper, die Förderung von nichtstaatlichen Organisationen (NGO) mit EU-Mitteln müsse transparenter gestaltet werden. Der CDU-Abgeordnete der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) beklagt, es sei in vielen Fällen nicht ersichtlich, was die Organisationen mit dem Geld machen.
Als einen Grund dafür nennt Pieper, dass die Fördermittel häufig von NGO-Netzwerken oder von Mutterorganisationen beantragt würden, die das Geld dann an Mitglieds- beziehungsweise Tochterorganisationen weitergeben. Pieper moniert auch, dass in der EU-Kommission, die über die Förderanträge entscheidet, die für NGOs geltenden EU-Richtlinien für Transparenz und Rechenschaftslegung nicht einheitlich angewendet werden.
Im politischen Brüssel hat der Bericht hohe Wellen geschlagen. Vertreter nichtstaatlicher Organisationen sowie der Fraktion der Grünen im EU-Parlament äußerten sich empört. Auf Protest stößt vor allem die Forderung Piepers, die EU solle in Zukunft keine NGOs mehr fördern, „die nachweislich Unwahrheiten verbreiten und/oder deren Ziele den fundamentalen Werten der Europäischen Union, der Demokratie, den Menschenrechten und/oder strategischen kommerziellen und sicherheitspolitischen Zielen von Institutionen der Europäischen Union widersprechen“.
„Ohne Förderung verstummt die Zivilgesellschaft“
Die Direktorin der Umweltorganisation Friends of the Earth Europe, Magda Stoczkiewicz, sagte laut dem Online-Nachrichtenportal „EurActiv“, eine solche Klausel „würde den Beitrag der Öffentlichkeit und die Debatte einschränken, die NGOs mit ihrer Arbeit im öffentlichen Interesse sicherstellen sollen“. Das Online-Magazin „Politico“ zitiert Olivier Hoedeman von der Organisation Corporate Europe Observatory, die die Lobbyarbeit von Unternehmen kritisch beobachtet, mit den Worten, Piepers Bericht zeige ein „verzerrtes Verständnis von demokratischen Debatten“. Ohne öffentliche Förderung „könnte die Stimme der Zivilgesellschaft angesichts der Feuerkraft der Industrielobby verstummen“.
In einer Stellungnahme der Fraktion der Grünen im EU-Parlament heißt es, Piepers Bericht sei eine „schlecht getarnte Attacke gegen nichtstaatliche Organisationen allgemein“. Einige Vorschläge, die Transparenz der NGO-Finanzierung zu erhöhen, seien „nicht vollständig irrelevant“, räumen die Grünen ein. Die Frage sei aber, warum Pieper ausgerechnet umwelt-, sozial- und gesundheitspolitische Organisationen angreife. Wenn der Bericht nicht „vollständig umgeschrieben“ werde, müsse er komplett abgelehnt werden.
„Ein Gesetz wie in Ungarn auch für Europa“
Laut „Politico“ ist Pieper nun selbst nicht mehr daran interessiert, dass sein Bericht schnell ins Plenum des EU-Parlaments kommt. Der Grund heißt Viktor Orbán. Der ungarische Premierminister hat Anfang dieses Jahres ein Gesetz vorgeschlagen, nach dem in Ungarn tätige nichtstaatliche Organisationen ihre ausländischen Geldquellen offenlegen sollen. In etlichen Hauptstädten Europas und von EU-Politikern wird Orbán seit Wochen für seine harte Haltung gegen oppositionelle Organisationen in seinem Land kritisiert. „Politico“ berichtet, Markus Pieper habe in einer E-Mail an EU-Parlamentarier vorgeschlagen, die Debatte über seinen Bericht um drei Monate zu verschieben, um Abstand zu den Vorgängen in Ungarn herzustellen. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, hingegen sagte laut „Politico“, er wünsche sich ein Gesetz wie das für Ungarn auch für Europa. Anfang Mai entschied der Haushaltsausschuss, den Bericht bis auf weiteres auf Eis zu legen. Zunächst solle der Europäische Rechnungshof mit einer Stellungnahme zu der Angelegenheit beauftragt werden.
In der EU-Kommission stößt Piepers Bericht offenbar auf Ablehnung. „Politico“ zitiert aus einem Schreiben eines leitenden Beamten in der Generaldirektion für Entwicklungspolitik, der Bericht sei „veraltet“. Piepers Forderungen würden „fürchterliche Bürokratie und Verwaltungsaufwand“ für die NGOs bedeuten; wenn man sie verwirklichen würde, „müssten wir nächstes Jahr die Förderung der Konrad-Adenauer-Stiftung für ihre exzellente Arbeit in Myanmar beim Training von demokratischen Parteien einstellen“. Pieper indes beklagt in seinem Bericht, „bestimmte Stellen“ in der Kommission würden das Instrument der NGO-Förderung für ihre eigene politische Agenda nutzen.
Organisationen, die „Wohlstand verbrauchen“
Sauer aufgestoßen ist in der Kommission offenbar auch, dass Pieper sich in seinem Bericht ausdrücklich Forderungen der israelischen Organisation NGO Monitor anschließt. NGO Monitor steht der Regierung von Benjamin Netanjahu nahe und betreibt in Brüssel kräftig Lobbyarbeit gegen europäische NGOs, die mit oppositionellen Gruppen in Israel sowie mit palästinensischen Organisationen kooperieren.
Eine andere umstrittene Initiative, auf die Pieper sich zustimmend beruft, ist die von der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher ins Leben gerufene Stiftung New Direction, die sich für eine radikale wirtschaftsfreundliche Liberalisierung in der EU einsetzt. In einem Bericht zur Förderung von NGOs aus dem Jahr 2013 kritisiert die Stiftung, die EU unterstütze vor allem solche Organisationen die „Wohlstand verbrauchen“, etwa für humanitäre Hilfe oder Umweltschutz, statt solche, die „Wohlstand schaffen“, wie Industrieverbände oder Forschungsinstitute.
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