Was treibt Sie an und was macht Sie wütend?
Beim Vorbereiten meiner Ostermarsch-Rede bin ich darauf gestoßen, dass unsere großen Schweizer Banken trotz all ihrer Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit und Menschenrechten wieder verstärkt in Rüstungsbetriebe investieren, sogar in die Produktion von Nuklearwaffen. Das macht mich unglaublich wütend. Diese Heuchelei öffentlich zu machen und dem entgegenzuwirken, ist eine Aufgabe, die mich immer wieder antreibt. Gut und motivierend ist dabei, dass der Protest dagegen – siehe Ostermarschbewegung – wieder wächst und sich verjüngt.
Mit wem würden Sie gerne einmal streiten?
Mit dem Soziologen Thomas Held. Er ist 1968 mit auf die Barrikaden gegangen. Später wurde er Direktor von Avenir Suisse, der Denkfabrik des Schweizer Unternehmertums. Ich wüsste gern, was ihn motiviert hat, so extrem die Seiten zu wechseln.
Wen würden Sie mit dem alternativen Nobelpreis auszeichnen?
Das „1000 Frauen Friedensnobelpreis“-Projekt, das 2005 in der Schweiz ins Leben gerufen wurde. Es steht für die vielen Menschen, die jenseits des Rampenlichts für eine lebenswerte Gesellschaft wirken – ohne dabei Arbeitsstunden oder Geld zu zählen. Es gibt sie nicht nur in der Politik. Als ehemaliger Handball-Nationalligaspieler weiß ich zum Beispiel, dass es auch im Sport sehr viele Menschen gibt, die unser ökonomisiertes Umfeld durch freiwilliges Engagement und Zivilcourage menschlicher machen.
Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?
1975 besetzten Schweizer Kernkraftgegner den Bauplatz des geplanten AKWs Kaiseraugst. Ich war auch dabei, zusammen mit unserer ältesten Tochter, die damals zwei war. Alle hatten Herzklopfen. Wir fühlten uns ohnmächtig und haben nicht geglaubt, dass wir den Bau wirklich verhindern könnten. Aber genau das haben wir. Der Protest hat sich gelohnt. Es gibt keine Alternative dazu, es immer wieder zu versuchen!
Was ist schief gegangen und wieso?
Wir 68er wurden in einer Zeit des Entweder-Oder sozialisiert. Zu protestieren war unsere Lebensaufgabe, denn wir wussten uns auf der richtigen Seite. Ich selbst verließ mit 17 die Schule und ging nach Paris, um die Welt aus den Angeln zu heben. Unsere Zuversicht gab uns Kraft für viele wichtige Errungenschaften. Aber sie schaffte auch übersteigerte Erwartungen, die sich nicht so leicht erfüllen ließen. Oft gab es Tränen, manchmal sogar Depression und Suizid.
Das Gespräch führte Barbara Erbe
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