Im Libanon leben derzeit rund 1,1 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien. Da es keine offiziellen Flüchtlingscamps gibt, sind sie dezentral in Wohnungen, Gemeinschaftsunterkünften und informellen Siedlungen untergebracht. Das erschwert ihre Versorgung mit Lebensmitteln und Hilfsgütern. Ein Zusammenschluss von Hilfsorganisationen, das Lebanon Cash Consortium, und UN-Organisationen geben deshalb elektronische Gutscheine aus, mit denen die Flüchtlinge Nahrungsmittel kaufen können.
Die EU und das britische Entwicklungsministerium DFID wollen dieses System vereinfachen. Das Geld, das die beiden Geber für Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs zur Verfügung stellen, solle künftig von einer einzigen Organisation verwaltet und ausgezahlt werden, erklärte ein Vertreter der EU auf Anfrage von „welt-sichten“. Ferner sei geplant, das Programm von einer weiteren, unabhängigen Organisation evaluieren zu lassen, um verlässlich Rechenschaft über seine Wirkung ablegen zu können.
Ebenfalls neu wird die Ausgabe von Bargeld anstelle von Gutscheinen sein, das den Flüchtlingsfamilien einmal pro Monat ausgehändigt werden soll. Die geplante Hilfe aus einer Hand mache den Prozess effizienter und stelle sicher, dass ein größerer Teil der finanziellen Unterstützung die Flüchtlinge tatsächlich erreiche, betonte der EU-Vertreter. Zudem trage man ihrem Wunsch nach Bargeld anstelle von Gutscheinen Rechnung, weil ihnen das mehr Spielraum einräume.
Eine statt viele verschiedenen Organisationen
Der neue Ansatz stößt vor allem bei UN-Organisationen auf Kritik. Philippe Lazzarini, der für die Vereinten Nationen die humanitäre Hilfe im Libanon koordiniert, sieht die Gefahr, dass damit das gegenwärtige System der Zusammenarbeit untergraben wird. Dieses profitiere von deren Vielfalt und „optimiere und respektiere ihre jeweiligen Mandate“, sagte Lazzarini dem Nachrichtenportal IRIN.
Derzeit fließen die Mittel der Geber für Bargeld-Transfers an mehrere UN-Organisationen, darunter das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Welternährungsprogramm, sowie humanitäre Hilfsorganisationen. Mit den Auszahlungen sind wiederum verschiedene Banken und Geldinstitutionen beauftragt.
Das neue Projekt soll rund 85 Millionen Euro umfassen und hat damit laut IRIN lediglich einen Anteil von sieben Prozent an der gesamten Hilfe für den Libanon. Damit bestehe die Gefahr, dass die EU und DFID eine „Parallelstruktur“ zu den bereits bestehenden Mechanismen errichten, so Lazzarini. Laut EU wolle man vielmehr auf diesen Strukturen aufbauen.
Die Zusammenarbeit mit einer einzigen Organisation solle verhindern, dass verschiedene Hilfsagenturen denselben Menschen dieselbe Unterstützung zukommen lassen. Zudem ließen sich auf diese Weise Kosten senken. Der gegenwärtige Ansatz sei nicht geeignet, um die syrischen Flüchtlinge langfristig zu versorgen. Der Bürgerkrieg in Syrien dauert bereits sechs Jahre.
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